Resteklicken
Diskussion später wird über meinen Kopf hin die Vereinbarung getroffen, dass ich KEIN Hausverbot bekomme, wenn ich mich unseren älteren Mitbürgern gegenüber in Zukunft höflicher verhalte, was ich letztlich zerknirscht verspreche. Dann darf auch ich endlich ans Brötchenregal.
Ich nehme sechs gesalzte Laugenstangen nacheinander mit der Hand raus, weil ich weiß, dass Steffi die am liebsten mag. Verstehe sowieso nicht, was diese Greifzange soll. Dient angeblich der Hygiene. Ob ich mein Brötchen nun aber mit der Hand oder der Zange entnehme, ist doch vollkommen egal. Die vielen Schnupfennasen, die beim Öffnen des Fachs über das Sortiment gehängt werden, sorgen schon dafür, dass mehr Keime ausgeschüttet werden, als ich jemals mit der Handfläche irgendwo verbreiten könnte. Am Ende stecke ich meine Hand noch mal ins Rusti-Kraftpotz-Fach, in der Hoffnung, dass die Brummdraht-Omi in den nächsten Tagen wiederkommt und ich sie mit meinem fiesen Alkoholismus nebst den daraus resultierenden Depressionen anstecken werde!
Nachdem sich mein Körbchen mit Laugenstangen, Wurst, Käse und einem Heineken aus dem Kühlschrank gefüllt hat, stelle ich mich an die Kasse.
Schon wieder direkt hinter Brummdraht-Omi.
Na toll.
Da sie ihr eigenes Klischee anscheinend unbedingt bestätigen muss, braucht sie beim Bezahlen eine Ewigkeit, und auch die Preisnennung durch die Kassiererin löst bei ihr keinerlei großartige Eile aus. Warum sollte man auch schon VORHER die Brieftasche rausholen?
»Geht das vielleicht ein bisschen schneller?!«, rufe ich genervt. »Wir WARTEN hier!«
Und wir brauchen endlich ein Bier.
»Nun lassen Sie die Dame doch«, nölt eine Frau hin ter mir in der Schlange. »Bei ihr dauert’s halt ein bisschen.«
»Diese ›Dame‹ ist der Teufel«, flüstere ich.
Zwei Minuten und ein paar unflätige leise Bemerkungen später, bin ich dann doch mal dran. Im wahrsten Sinne. Denn als ich zahlen will, bemerke ich, dass ich nur noch ein paar Euro dabeihabe.
» ’ tschuldigung«, sage ich verlegen. »Muss wohl die Karte herhalten.«
Ich zücke meine Sparkassenkarte und gebe sie der Kassiererin.
»Ihre Nummer und einmal bestätigen.«
Alles klaro.
6, 9, 9, 6 … und die kleine grüne Taste.
Und ein heller, lauter Piepton.
»Falsche Nummer.«
»Was?«
»Sie haben die falsche Geheimzahl eingegeben!«
»Ja, wissen Sie, die ist so geheim, die haben sie nicht mal MIR verraten.«
Ich lache gekünstelt und höre sofort wieder damit auf. Was bitte schön soll an meiner Geheimzahl falsch gewesen sein?! Sie besteht aus zwei Sechsen und zwei Neunen, und eine Zahl davon kommt in der Mitte doppelt.
Glaube ich.
»Noch mal, bitte!«
Also … 6 … 9 … Nee … Korrektur … 6 … 6 … 9 … 9.
Vielleicht ging sie ja so.
Piiiiep!
Nein, so ging sie nicht.
»Sorry« , sage ich, und ich fange an zu schwitzen, und in meinem Kopf dröhnt es, und am Ausgang erkenne ich die Brummdraht-Omi, die sich mit einem diabolischen Grinsen zu mir umdreht.
»Wahrscheinlich ist die Nummer Sechs-Sechs-Sechs.«
»Wie bitte?«
»Ach nichts«, stammle ich. »Kann ich es noch mal versuchen?«
»Geht das vielleicht ein bisschen schneller?!«, schallt es plötzlich von hinten. »Wir WARTEN hier!«
Wie witzig.
»Wenn Sie Ihre Geheimzahl noch mal falsch eingeben, wird die Karte gesperrt.«
Ich schaue kurz auf die Lebensmittel vor mir. Dann hole ich meine restlichen Münzen aus der Hosentasche.
»Geben Sie mir das Heineken und meine Karte. Der Rest bleibt hier!«
Auf der Straße öffne ich die Bierflasche mit meinem Feuerzeug und setze mich auf einen Stromkasten. Einen Schluck später sehen die Welt und mein Kater schon wieder ganz anders aus. Bekommt Steffi eben kein Frühstück, was soll’s.
»Erst kein Geld dabeihaben, und dann am Vormittag schon saufen!«
»Fahre wieder hinab in den siebten Kreis der Hölle, Brummdraht-Omi!«, sage ich.
Die alte Schachtel haut mir noch irgendwas von »asoziales Pack« und »Konzentrationslager« um die Ohren, aber als sie sich umdreht und mich schon lange nicht mehr sehen kann, da gebe ich ihr meinen Mittelfinger mit auf ihren schwefligen Heimweg.
Dann zünde ich mir eine Zigarette an und inhaliere den ersten Zug, trotz meines Kopfschmerzes, so tief ein, wie es nur geht. Ich blase den Rauch in den matten Tag. Und versuche mich an den letzten Abend zu erinnern. Den Abend, an dem Steffi mich wieder mal abserviert hat.
Stimmt natürlich nicht ganz, immerhin erwartet sie mich heute zum
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