Resturlaub
mit schmerzender Schulter wieder langsam aufrappelte, sah ich einen Tropfen Blut auf die Fliesen fallen. Dann zwei, schließlich ein dritter und dann kam immer mehr Blut. Ich schleppte mich zu den Waschbecken und verschmierte das Blut im Gesicht. Dann brachte ich meine Haare durcheinander, zog mein Hemd so weit nach oben, dass man den Riss in der Jeans gut sehen konnte und endlich sah ich aus, als wäre ich nach einer Schlägerei mit einem ukrainischen Zuhälter auch noch gegen einen ICE gelaufen. So taumelte ich aus der Herrentoilette.
Den erschrockenen Blicken der anderen Reisenden zufolge hatte ich ganze Arbeit geleistet. Auch an unserem Bistrotisch herrschte blankes Entsetzen vor. Sogar Checko legte mit offenem Mund seine Playstation weg. Biene sprang als Erste auf.
»Um Himmels willen, Pitschi, was ist passiert?«
Zunächst bewegte ich nur den Mund, ohne etwas zu sagen. Ich hatte das vor Jahren in irgendeinem Spielfilm gesehen. Dann schluckte ich und keuchte:
»Bin überfallen worden!«
Biene hielt sich vor Schreck die Hand vor den Mund, dann kniete sie sich vor meine aufgerissene Jeans.
»Du hast einen Riesen-Kratzer da!«
»Tief?«
»Sieht nicht so aus! Trotzdem ... wir müssen zum Flughafenarzt!«
Erschöpft ließ ich mich auf einen Plastikstuhl gleiten.
»Gleich!«
»Aber ...«, stotterte Checko, »wie is'n des passiert?« »Der hat mich mit einem Messer bedroht, ich ... ich hab ihm alles gegeben!«
»Des gibt's doch net. Hier? In Nürnberch?«, fragte Checko.
»Ja schauen Sie nicht so, rufen Sie die Polizei!«, schrie Biene einen blassen Kellner an, der teilnahmslos mit einem Lappen neben uns stand. Vielleicht wollte er mich ja aufwischen, wenn ich es nicht mehr schaffte.
Mit einem Taschentuch tupfte Biene mein Gesicht ab.
»Armer Mausbär, ausgerechnet heute!«
»Wie sah der Typ denn aus?«, fragte Jason.
Darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Ich starrte Jason an und dachte nach. Dann sagte ich:
»So John-Travolta-Haare, Jeans, Turnschuhe, blaues Shirt, Mitte 30 vielleicht?«
Und Jason starrte mich an.
»Er sah aus wie ICH?«
»Er steht unter Schock!«, warf Erich ein, der bis dahin noch gar nichts gesagt hatte.
»Kleiner als Jason! Viel kleiner!«, rettete ich mich.
Jason sprang auf. »Den kauf ich mir!«
»Vergiss es«, hielt ich ihn zurück, »der ist doch längst nicht mehr am Flughafen!«
Widerwillig setzte sich Jason wieder hin und auch Biene nahm endlich Platz.
»Ich weiß, es passt jetzt gerade gar nicht«, schaltete sich Erich schüchtern ein, »aber . wir müssen zum Flieger!«
Ich tat so, als ob ich auf meine Armbanduhr schauen wollte, was sicherlich der Höhepunkt meiner Überfallnummer war.
»Du hast keine Uhr mehr, armer Mausbär!«, tröstete mich Biene sanft.
»Nicht?«
Ich versuchte dabei möglichst apathisch ins Leere zu schauen.
»Zehn vor!«, sagte Checko.
»Wir müssten dann mal!«, ergänzte Erich.
»Was hat er denn außer der Uhr noch alles mitgenommen?«, fragte Biene.
»Geld, Ticket, Pass, alles!«
»Jetzt echt?«
»Jetzt echt«, bestätigte ich und knöpfte extra zitternd mein Hemd wieder zu.
»Der arme Kerl«, seufzte Miriam und kniff ihre Mundwinkel zusammen. Offenbar hatte ich ziemlich überzeugend apathisch ins Leere geschaut.
»Was machen wir denn jetzt?«, jammerte Biene.
»Fliegt ihr schon mal vor!«, flüsterte ich.
Geht man nach dem Grad der Überraschung in den Gesichtern, war das eine Sache, an die keiner auch nur ansatzweise gedacht hatte.
»Neeeeee!«, protestierte Checko.
»Das ist doch Bullshit!«, fluchte Jason.
»Aber Mausbär!«, japste Biene.
Das Timing hätte perfekter nicht sein können. Wir wurden ausgerufen und mussten alle zum Flugsteig. Ich informierte die verdutzte LTU-Frau am Gate, dass ich nicht mitfliegen würde. Dann umarmte ich alle und wünschte ihnen einen guten Flug. Jason klopfte mir auf die Schulter: »Ich seh dich bald, oder?«
Ich nickte.
Dann winkte ich allen, die im Gang zum Flieger verschwanden. Biene stand die ganze Zeit neben mir und sie schien tatsächlich erst jetzt zu realisieren, dass sie ohne mich fliegen würde. Oder eben gerade nicht:
»Ich bleib natürlich bei dir, Mausbär!«
»Kommt gar nicht in Frage«, protestierte ich, »ich kann das alleine regeln, wirklich. Oder willst du zuschauen, wie ich die Kreditkarte sperren lasse oder zum Rathaus gehe und einen Pass hole, wenn du in der Zeit auch am Strand liegen kannst?« Biene schaute mich skeptisch an.
»Aber
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