Resturlaub
richtig geputzt werden!
Ich ziehe mein wärmstes Hemd an, fahre mit dem Lift nach unten und gehe in einen schwer bewachten Supermarkt um die Ecke. Die Auswahl an Putzmitteln ist beeindruckend. Ich kaufe eine grüne Flasche, deren Etikett am gefährlichsten aussieht, mehrere Lappen, Gummihandschuhe und einen Sixpack argentinisches Bier der Marke Quilmes. Als ich am Regal für Marmelade und Honig vorbei zur Kasse gehe, stoße ich einen leisen Freudenschrei aus. Direkt neben einer ganzen Reihe mit irgendeiner dulcedeleche Creme sehe ich drei Gläser Nutella! Ich schaue mich kurz um und packe alle drei in meinen Korb. Was für ein Schweineglück ich haben muss, dass ausgerechnet der Supermarkt um die Ecke noch ein paar Gläser hat! Ich bleibe noch eine Weile im Supermarkt und schaue mir an, was es so zu kaufen gibt. Ich fühle mich gut in diesem Supermarkt, weil er mir das Gefühl gibt, dass ich schon dazugehöre. Touristen gehen nicht in Supermärkte, Einheimische tun das. Ich träume sogar kurz davon, die Supermarktkasse als »Einheimischer« zu passieren, doch dummerweise wirft mich eine klitzekleine Frage der Kassiererin völlig aus der Bahn.
»lEn efectivo?«
Was zum Teufel kann sie damit meinen? Ob ich eine Kundenkarte habe? Ob ich Herzchen sammle? Ob ich eine Tüte will? »En efectivo« klingt nach keiner der drei Möglichkeiten, also schüttle ich den Kopf, sage »no« und lege einen 50-Peso-Schein aufs Band. Die Kassiererin schaut mich an, als wäre ich total bekloppt, tippt etwas in ihre Kasse und ruft »anulacion«. Dann kommt eine weitere Kassiererin, die einen Schlüssel in die Kasse steckt und mich ebenfalls anschaut, als wäre ich bekloppt. Die echten Einheimischen warten unterdessen geduldig in der Schlange. In Deutschland wäre ich bestimmt bereits beschimpft und mit Tomaten beschmissen worden.
Immer noch rätselnd, was ich falsch gemacht habe, gehe ich zurück in die Wohnung, ziehe die Gummihandschuhe über und mache mich an die Putzarbeit. Ich schrubbe das Bad, den Flur und mein komplettes Zimmer. Einmal höre ich Geräusche und denke, dass Pedro nach Hause kommt. Doch ich täusche mich, offenbar kommen die Geräusche aus der Nachbarwohnung. Gegen ein Uhr mittags bin ich fertig und steige erschöpft in die Dusche. Dann verstecke ich die Nutella unter meinem Bett, verteile die verbleibenden Bretter des Lattenrostes neu und wickle mich in meine Boca-Juniors -Bettwäsche ein. Ich bin sehr zufrieden. Sekunden darauf falle ich in einen komatösen und traumlosen Schlaf.
Santa Fe 1776
ALS ICH IRGENDWANN am späten Nachmittag wach werde, bin ich ziemlich durcheinander. Ich taste nach Biene und erst als ich sie nicht spüren kann, wird mir klar, wo ich bin. Noch ganz in Gedanken, mache ich mir auf dem Gasherd einen InstantKaffee, klaue mir zwei labbrige Toastscheiben der Marke Fargo und, als ich mich vergewissert habe, dass ich alleine in der Wohnung bin, schmiere ich mir unter Taxis skeptischen Katzenaugen heimlich ein Nutellabrot und schlinge es hinunter. Ich räume meinen Kleiderschrank ein. Dann fahre ich nach unten, passiere den schlafenden Pförtner und bemerke erschrocken, dass es bereits dunkel geworden ist. Ich öffne die Tür und tauche ein in ein von bunten Reklametafeln beleuchtetes Großstadtchaos. Dicht gedrängt und hupend schieben sich Autos und Taxis an mir vorbei, telefonierende Passanten hetzen mit Einkaufstaschen die Straße hoch und runter, von irgendwoher klingt eine Sirene. Jeder Einzelne, so scheint es mir, scheint enorm darauf bedacht zu sein, seine Sache laut zu machen. Die Sirene kommt näher und hört sich an, als probiere jemand die voreingestellten Klingeltöne auf seinem Handy durch, nur eben zehnmal so laut. Die Sirene kommt von einem Polizeiauto. Fasziniert beobachte ich das Treiben.
»Des is kei Bamberch net!«, nuschle ich beeindruckt und stelle mir vor, wie Biene und die anderen schauen würden. Es mag lächerlich klingen, aber in diesem Augenblick empfinde ich es als ganz besondere Freiheit, mich entscheiden zu können, ob ich rechts die Straße hoch oder links die Straße runter gehe. Von beiden Seiten hab ich nicht die geringste Vorstellung. Schließlich entscheide ich mich für rechts.
In einem Zara beobachte ich eine gute halbe Stunde, was die Einheimischen kaufen und stelle mir dann meine argentinische
Pitschi-Kollektion zusammen: zwei lange Hosen, drei Hemden und eine Winterjacke für 349 Pesos. Als mich die Kassiererin diesmal die Sache mit dem en efectivo
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