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Resturlaub

Resturlaub

Titel: Resturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Jaud
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anzurufen. Doch natürlich wäre das ein sehr dummer Augenblick, zwölf Stunden, nachdem ich Schluss machen wollte. Stattdessen zeige ich Stefan ein Foto von ihr, das ich noch immer bei mir trage.
    »Das ist Biene!«, sage ich.
    »Du musst ziemlich stolz sein, sie ist sehr schön!«
    »Ja«, sage ich und drehe das Foto in meine Richtung. Stimmt.
    Sie ist sehr schön. Und es ist auch kein Wunder, dass ich sentimental werde, nach all den Bieren, am zweiten Abend meines neuen Lebens. Ich stecke das Foto weg, blicke raus auf das Leuchtschild mit der Aufschrift »Zum Gemütlichkeit« und atme tief durch. Dann tippe ich Stefano auf die Schulter.
    »Der Name von deiner Kneipe ...«, beginne ich.
    »... ist altmodisch?«, fragt Stefano ein wenig verunsichert.
    »Er ist falsch!«
    Schockiert starrt mich Stefano an.
    »Du erzählst mir im Spaß, oder?«
    »Nein. Es heißt Zur Gemütlichkeit, nicht Zum Gemütlichkeit!«
    Seufzend zieht er eine Zigarette aus einer Packung und zündet sie sich an.
    »Aber in die Trinklied, das aus Bayern, da heißt es doch auch: ein Proooosit, ein Proooosit zum Gemüüüüütlichkeiiiit!«
    Ich runzle bedauernd die Stirn.
    »Nicht mal da heißt es so. Tut mir Leid. Aber schön gesungen!«
    Der ohnehin schon unscheinbare Stefano sackt nun noch mehr in sich zusammen.
    »Aber das ist doch peinlich! Ich kann doch meine Bierhaus nicht falsch nennen!«
    »Und Bierhaus sagt leider auch kein Mensch!«
    »Oh weh!«
    »Wenn du magst, dann helfe ich dir. Ich meine, ich hab sowieso nichts zu tun. Wir können uns Werbung ausdenken, Handzettel machen, eine Internetseite vielleicht!«
    »Aber ich hab nicht keine Geld!«
    »Das ist doch erst mal egal«, sage ich. »Ich hab noch ein bisschen. Wir kriegen deine Gemütlichkeit schon voll, verlass dich auf mich.« »Ja?«
    »Ja! Das ist mein Job, weißt du?«
    »Das wäre spitz!«
    »Spitze, verdammt noch mal!«
    Manchmal verliert man halt einfach die Nerven. Ich will mir gerade ein finales Bier bestellen, als ich eine große gelbe Sonne auf der Straße sehe. Es sind Heidi und ihre Freundin, die soeben Stefanos Speisekarte studieren und jeden Augenblick in den Laden kommen können.
    »Ach du Scheiße!«, sage ich laut. »Die darf mich hier auf keinen Fall sehen!«
    »Wieso? Ist kein Kino mit Porno!«
    »Trotzdem!«
    »Kennst du?«
    »Aus der Sprachschule, 'ne Schwäbin, die ist Horror!«
    »Also Argentinier freuen sich, wenn sie im Ausland einen anderen sehen!«, wundert sich Stefano.
    »Argentinierinnen tragen ja auch keine Plastikblusen mit Sonnenblumen auf dem Bauch! Habt ihr einen Hinterausgang?«
    Mühsam quäle ich mich von meinem harten Holzhocker und taste mich an der Bar entlang nach hinten.
    »Ja, aber was ist mit dem Kasseler, was du hast bestellt und die Wurst und Leberkäs für Keks?«
    »Gib's mir doch mit!«
    In der Küche bekomme ich die Tüte mit den fränkischen Spezialitäten und eine zweite mit meinem Kasseler und Kraut.
    »Soll ich morgen so gegen 16 Uhr vorbeikommen?«, frage ich ihn.
    »Das ist schlecht, da hab ich noch Therapie! Besser gegen sechs!«
    »Wie? Du auch?« »Du nicht?«
    »Äh ... nein!«
    »In Buenos Aires jeder macht Therapie! Hast du keine Probleme?«
    »Doch! Aber ich hab noch jemanden, der mir schreibt!«
    Aus dem Gastraum höre ich bereits Heidis Stimme. Vorsichtshalber weiche ich einen weiteren Meter zurück von der Tür. Aus meinem Portemonnaie ziehe ich eine meiner frisch gedruckten Visitenkarten und reiche sie Stefano.
    »Hier, für dich! Hab ich mir heute drucken lassen!«
    »Danke. Spitz! Aber ... warum BUENAS Aires?«
    »Wie? Zeig!«
    Erschrocken schaue ich auf die Karte.
    »Stimmt. Buenas Aires. Scheiße!«
    »Ich würde sagen . eins zu eins«, lacht Stefano und drückt mir ganz selbstverständlich einen Kuss auf die Wange. Hätte ich nicht soeben einen Hochzeitsring gesehen, ich würde glauben, er sei schwul. Und während ich mich mit meiner Leberkästüte und dem Kasseler über einen dunklen Hinterhof auf die Straße vortaste, frage ich mich, ob ich nicht doch eine Therapie machen sollte. Stattdessen kaufe ich mir an einem Kiosk fünf verschiedene Biere und wecke Arne drei Stunden vor dem Frühstück.
    »Arne, du musst unbedingt unseren Bambus festbinden! Habt ihr den Schlüssel noch?«
    »Sag mal, kann das sein, dass du langsam verrückt wirst?«
    Piantao
    EINE BEDRÜCKENDE SCHWERE liegt in der Luft, als ich kurz darauf in die nur spärlich beleuchtete Neonküche trete, um mein Kasseler zu essen und mich für die

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