Resturlaub
Stadt befindet sich diese Totenstätte und so kommt es, dass die ehemalige Elite des Landes nun in unmittelbarer Nähe von Fastfood-Ketten, Sportsbars und Sex-Lokalen ruht.
Es ist bereits später Nachmittag und unter dem Schatten von Zypressen und Palmen schlendern Luna und ich an den unzähligen Grabstätten der Reichen und Berühmten vorbei. Ein herrlicher Winter sei das bisher, wie Luna mir erzählt, normal wären Nieselregen und zehn Grad. Dafür, dass unsere Beziehung reichlich ungeklärt ist, sind wir beide überraschend entspannt. Dennoch: Seit Luna im Cafe kurz meine Hand berührt hat, herrscht zwischen uns so etwas wie haptische Funkstille. Womöglich wissen wir beide noch nicht so recht, wohin mit dem anderen.
»Hier«, sagt Luna und bleibt vor einem Mausoleum aus dunklem Marmor stehen, »hier liegt die Familie Duarte und Evita Peron.«
»Die aus dem Film mit Madonna?«
»Die Echte!«
»Oh!«, sage ich und betrachte die blumengeschmückte Tür mit den verschiedenen Inschriften.
»Sie LIEGT da drin?«, möchte ich wissen.
»Genau«, erklärt mir Luna, »in so einer Art Schublade.«
Verwundert blicke ich zu Luna.
»Die Nationalheldin Argentiniens, die berühmte und verehrte Evita liegt in einer Schublade, zwanzig Meter neben einem Strip-Club?«
»Ja!«
»Hut ab! Argentinien geht ja nett mit seinen Helden um!«
»Na ja .« lacht Luna, ». irgendwie passt es ja auch wieder, schließlich war sie selbst mal Nachtclubtänzerin.«
Mitten in unser Lachen fiept mein Handy. Was mich besonders irritiert ist, dass es die »Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?«-Melodie meines deutschen Handys ist, von dem ich dachte, dass ich es in der Wohnung gelassen hätte. Unter Lunas amüsierten Blicken taste ich hastig alle Taschen meiner Jacke ab, bis ich das Handy irgendwo zwischen Reißverschluss und Seitennaht im Jackenfutter fühlen kann. Ich kann es nicht herausnehmen, also drücke ich durch den Stoff auf die Tasten und sage »Ja, hallo?« zu meiner Jacke.
»Mein Mausbär! Schön, dass ich dich erwische!«
»Bei was?«
Ich bin so erschrocken über Bienes Anruf, dass ich völlig vergesse, dass sie mich nicht sehen kann.
»Ich meine, ich finde es auch schön, dass du mich erwischst«, sage ich erschrocken und ziehe hastig meine Jacke aus, um das Telefon näher ans Ohr zu bekommen. Dann schleiche ich mit entschuldigender Miene, pochendem Herzen und Winterjacke am Ohr zum Mausoleum eines gewissen Jose Hernandez. Es wird von zwei in Stein gehauenen Engeln bewacht.
»Geht's gut, mein Mausbär?«
Nervös klopfe ich auf den Flügel des Engels. »Ja, alles wunderbar in Bamberg, super Wetter, Sonne scheint, alles top! Bei euch?«
»Die Sonne scheint?«
»Ja, warum denn nicht?«
»Weil es zehn Uhr abends ist!«
Ahh!
Erschrocken poche ich auf den Engelsflügel, als sei er schuld an der Zeitverschiebung.
»Das weiß ich!«, stottere ich souverän, »Ich ... ich meinte nur, also, ich wollte sagen, dass die Sonne immer dann scheint, wenn du anrufst!«
»Quatschkopf!«
»Erzähl! Wie isses denn bei euch?«
»Nicht so toll. Das Wetter will einfach nicht besser werden, sind halt viel im Hotel. Jasons Fuß geht's aber ganz gut, er läuft schon wieder.«
»Is nicht wahr?!? Läuft er schon wieder, der Jason!«, spreche ich in meine Jacke, wovon drei japanische Touristen Fotos machen.
»Du, weswegen ich anrufe, Schatz. Die LTU bringt morgen dein Gepäck zurück und jetzt wollen die wissen, wann du da bist!«
Ich verscheuche die Japaner mit einer nicht besonders freundlichen Geste.
»Die bringen das zurück?«
»Ja, hast du gedacht, dass die das verbrennen?«
»Nein, aber, na ja . dass die das dann gleich vorbeibringen .«
Vorsichtig gehe ich einen Schritt nach vorne, um die aktuelle Position von Luna zu erspähen. Sie ist sichere zehn Gräber von mir entfernt und telefoniert ebenfalls.
»Was ist denn mit dir los, Mausbär? Kannst du nicht sprechen? Bist du im Büro?«
»Genau!«, sage ich und kralle meine Finger in den Engelsflügel.
»Ist dir neun Uhr morgens recht, vor der Arbeit?«
»Super recht!«
»Mausbär, willst du gar nicht wissen, wie's mir geht?«
»Ich? Doch! Wie geht's dir denn?«
»Gut!«
Als Luna um die Ecke kommt und keine zwei Meter vor mir steht, breche ich den Flügel ab. Er fällt krachend zu Boden.
»Mir geht's auch gut. Akku leer! Tschüss!«
Panisch drücke ich durch den Jackenstoff hindurch auf das Handy, doch das laute »Mausbär!?«, das da aus dem
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