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Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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zupften die anderen daran und zogen an den Fransen, während eine weitere einen Nietengürtel aus ihrem Schrank holte und ihn auf den Hintern des Mädchens klatschen ließ.
    Irritiert von ihrem Verhalten vergrub Retra das Gesicht in den Händen.
    Die tanzenden und umhertollenden Mädchen ignorierten sie.
    »Was hast du dir für einen Namen ausgesucht?«
    Retra blickte auf. Ein weiteres Mädchen war hereingekommen und öffnete den Schrank neben ihrem. Die Neue schüttelte sich eine Strähne ihres glatten, dichten Haares aus dem Gesicht und musterte Retra mit lebhaften, braunen Mandelaugen.
    »Ich weiß nicht«, sagte Retra. »Ich will keinen.«
    Das Mädchen zögerte und runzelte die Stirn. »Aber alle haben einen neuen Namen. Alle .«
    Doch sie sagte störrisch: »Ich heiße Retra«, und erwartete, dass das Mädchen sich abwandte, weil sie eine Seal war, so wie Cal es auch getan hatte.
    »Retra.« Das Mädchen ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. »Ein strenger Name, aber okay. Vielleicht solltest du dir lieber etwas Weicheres ausdenken.«
    »Wie Naif?«, fragte Retra.
    »Oh, das ist hübsch. Ich werde mich Suki nennen.«
    Retra zwang sich, im gleichen Ton zu antworten. »Das klingt auch gut, aber ich glaube, ich bleibe bei Retra.«
    Das Mädchen grinste. »Na schön. Sollen wir zusammen schauen, wo es etwas zu essen gibt? Ich komme um vor Hunger. Das viele Nackttanzen gestern Nacht … hat mich hungrig gemacht.« Sie warf den anderen einen Blick zu, die Augenbraue geringschätzig hochgezogen. »Aber jetzt reicht es auch, finde ich.«
    Unwillkürlich hoben sich Retras Mundwinkel. Sukis direkte Art war nicht so unverschämt wie Rollos oder Cals. Und sie legte eine Unbekümmertheit an den Tag, die trotzdem nicht dumm war.
    »Ja. Ich habe auch Hunger.« Retra nahm ein Samtkleid aus ihrem Schrank, das halbwegs schicklich aussah. Sie sah sich nach einer Umkleidekabine um, fand aber keine.
    Suki hatte ihr Nachthemd schon auf den Boden geworfen und zwängte ihren kleinen, muskulösen Körper in ein dunkles Korsett mit einer gekräuselten Bordüre, die wie ein Röckchen aussah. Ein Korsett war für Retra nichts Neues, ihre Mutter trug auch eines. So wie alle älteren Frauen der Seals. Das Korsett ihrer Mutter war hautfarben und äußerst zweckmäßig. Ein Stützapparat. Ohne Rüschen oder Schleifchen oder Spitze.
    »Kannst du mir mal beim Zumachen helfen?«, fragte Suki.
    Retra kämpfte mit den langen Bändern, schaffte es aber schließlich doch, sie zu binden. Als sie sich anschließend anzog, war sie bemüht, ihren Körper vor den anderen so gut es ging zu verbergen. »Ist das Frühstück?«
    Suki zuckte die Achseln. »Wer weiß? Ist aber auch egal, wenn es nie Tag wird.« Ihre Augen funkelten. »Wow, du siehst super darin aus. Die Farbe steht dir. Ein tiefes Braun, wie deine Augen.« Sie musterte Retra von Kopf bis Fuß. »Wie machen sie das nur, dass es so gut sitzt? Das ist magisch … die Kleider und alles. Ich glaube, hier werde ich mich wohlfühlen.«
    Als sich Retra aufrichtete, sah sie sich im Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Der Samt floss an ihr herunter wie Honig. Sie fühlte sich nackter als das Mädchen mit dem Schal. Hastig suchte sie in ihrer Schublade nach einem anderen Kleid.
    Suki griff nach ihrer Hand und sah sie verwirrt an. »Willst du denn nicht gut aussehen?«
    Nein , dachte Retra. Aber die Schmetterlinge in ihrem Bauch sagten etwas anderes. Ja .

6
    Sie betraten das eine Ende des kreuzförmigen Schiffes und folgten den anderen zu einem Bereich, der von Vorhängen abgetrennt war. Suki hakte sich bei Retra unter, als sie hindurchgingen und in einen Speisesaal mit ein paar Tischen kamen.
    Ihre ungezwungene Vertraulichkeit war Retra unangenehm, doch sie machte sich nicht los. Hier war alles anders. Sie musste sich anpassen.
    Unter den wachsamen Augen der Riper luden sie sich schwarze Linguine mit einer rosafarbenen Soße auf Messingteller und gossen Traubensaft in dickrandige Kelche.
    »Die sind unheimlich, finde ich«, flüsterte Suki.
    Retra nickte nur. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie sie, egal wo sie gerade waren, hören konnten. Schaudernd dachte sie an den Riper auf der Fähre zurück – und an die Stimme in der Dunkelheit. »Auf der Fähre habe ich ein Mädchen kennengelernt, die fand sie … attraktiv.«
    »Ja, so attraktiv wie ein Pupu-Haufen.«
    Retra hatte das Ende der Schlange erreicht und warf einen Blick zurück zu den aufgereihten silbernen Wärmeplatten. Wer

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