Retra – Insel der Schatten: Roman (German Edition)
hör auf!«
Nichts. Nur Krista-belles Panik und Ekel und die entsetzliche Absicht des Ripers.
Vom Zorn überwältigt umklammerte Retra den Hocker und schlug ihn so fest, wie sie konnte, auf Brands Rücken.
Überrascht bäumte sich die Riper-Frau auf. Unnatürlich schnell und beweglich rollte sie sich von der Couch, den Mund geöffnet, die Zähne gefletscht.
Retra erstarrte unter ihrem bestialischen Blick.
Jetzt, da Brand sie nicht mehr festhielt, stieß Krista-belle einen schrillen Schrei aus, der selbst durch das Dröhnen der Musik hindurchgellte. Während Brand mit großen Schritten auf Retra zukam, rappelte sich Krista-belle von der Couch auf und rannte an ihnen beiden vorbei, hinaus in den Clubraum.
Retra wandte sich um, um ihr zu folgen, doch Brand packte ihr Handgelenk und drehte es um.
»Dann wirst du wohl dran glauben müssen, kleine Fledermaus«, sagte sie.
Mit unmenschlicher Kraft zog sie Retra zur Couch. Ihre Finger zerrten Retras Kinn brutal in die Höhe, sodass ihre Kehle entblößt war. Brands Gesicht senkte sich ihrem entgegen. »Ich erinnere mich an dich, Kleines … noch von der Wiedergeburt. Du bist vor mir fortgerannt.« Sie gab einen zufriedenen Laut von sich.
Retra wand sich, um von dem vernarbten Gesicht des Ripers wegzukommen, von den dicken Hautwulsten an Wan ge und Stirn, die von etwas Hässlichem und Grässlichem zeugten.
»Aber dieses Mal nicht«, flüsterte Brand.
Bleiche Zähne kratzten über Retras Hals, während sie Kampfer roch. Ihre Lunge füllte sich damit, versuchte durch den scharfen, durchdringenden Geruch noch Luft einzusaugen. Finger packten ihre Schenkel unter dem Kleid, drückten ihre Beine auseinander, dann spürte sie einen kurzen Schmerz, als etwas in die Haut unter ihrem Kiefer eindrang.
Und nun war plötzlich, ganz ohne Vorwarnung, das Gewicht des Ripers fort.
Retra hob den Kopf und sah auf. Plötzlich war es vollkommen still im Club, die Musik war aus, das Licht heller.
»Brand?« Lenoirs unverwechselbare Stimme drang in Retras Ohr, in ihren Kopf. »Was ist hier los?«
Mit einer einzigen Bewegung rollte sich Brand auf die Füße.
Die Kabine war voller Menschen: Lenoir, Brand, Test und noch weitere Riper. Einer von ihnen hielt Kero am Hals, der vergebens versuchte sich loszureißen. Hinter ihm drängten sich Krista-belle und die White Wings herein.
»Was tust du da mit diesem Mädchen, Brand?« Das war wieder Lenoir.
Brand schob die lederbekleideten Schultern vor und kräuselte die Lippen zu einem höhnischen Grinsen. »Nichts.«
Lenoirs Stimme klang ruhig aber eindringlich, als er in Retras Geist eindrang. Sie konnte den Blick nicht von ihm lösen. Aus dieser Nähe wirkte er einfach atemberaubend, groß und schlank, glattes Haar, das ihm bis über die Schulter fiel. Seine Haut war weißer als Cals Haar und seine Züge vollkommen symmetrisch.
»Glaubst du, du müsstest mich an die Regeln erinnern, Lenoir?«
»Ich glaube, du hast dich vergessen. Das passiert doch sicher nicht wieder, oder?«
Schwer hing Lenoirs letztes Wort zwischen ihnen.
»Das erste Mädchen war ein Fehler. Ich bin schwach gewesen«, gab Brand zu. »Aber die da …« Sie zeigte auf Retra. »Die hat versucht, mir etwas anzutun. Was sollte ich denn deiner Meinung nach machen?«
»Dir etwas anzutun?« Lenoir musterte Retra, den umgekippten Hocker und Brand. »Du musst ja schreckliche Angst gehabt haben.«
Die Riper um Lenoir herum verbargen ihr spöttisches Grinsen nicht. Brand bleckte wieder die Zähne und stürmte aus der Kabine, während sie die White Wings, die sich am Ende der Trennwand drängten, um einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen, zur Seite stieß. Ihre Protestrufe wurden nicht von Lenoir erhört. Er glitt näher an Retra heran. Sein Blick brannte auf ihr. »Du bist mutig, kleine Fledermaus, weil du eine Freundin beschützt. Und dumm zugleich. Tu das nie wieder. Solche Vorfälle regeln wir auf unsere Art.«
Am liebsten hätte sich Retra in Luft aufgelöst, doch ihre Wut war nicht verraucht und schürte eine Sturheit, die nicht zuließ, dass sie nachgab. »Solche Vorfälle? Aber ich dachte, ihr wärt unsere Wächter. Dazu da, uns zu beschützen.«
»Das sind wir doch auch. Deswegen bin ich hier und du noch am Leben.« Er wandte sich Kero zu. »Wir sind hier fertig. Nimm deine Gang und geh.«
Der Riper, der Kero festhielt, ließ ihn los, und so schnell, wie sie gekommen waren, waren Lenoir und seine Wächter auch wieder verschwunden und ließen Retra allein mit
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