Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rette meine Seele - Vincent, R: Rette meine Seele

Rette meine Seele - Vincent, R: Rette meine Seele

Titel: Rette meine Seele - Vincent, R: Rette meine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Vincent
Vom Netzwerk:
Jeans bildete.
    Dieses verdammte Gewächs hatte mich geschnitten!
    Ganz vorsichtig richtete ich mich auf und blickte mich genauer um, wobei ich darauf achtete, nicht noch mehr Ähren zu zerbrechen. Das Feld erstreckte sich mindestens dreißig Meter weit zu jeder Seite. Ich konnte es unmöglich durchqueren, ohne in Stücke geschnitten zu werden.
    Scheiße! Ich hatte gedacht, mit „gefährlich“ hätte Harmony die Bewohner gemeint.
    Ich ließ den Blick über diese fremde Welt schweifen und hoffte auf eine Eingebung. Die Unterwelt war wunderschön, nur eben auf düstere, unheimliche Weise. Die Farben des Nachthimmels wechselten von dunklem Lila über Blau bis hin zu fleckigem Grün, so als hätte die Erde dem Himmel eine tüchtige Abreibung verpasst. Der Sichelmond leuchtete dunkelrot, wie das Überbleibsel einer blutigen Schlacht, und seine spitzen Enden schienen den Himmel weniger zu schmücken, als zudurchbohren. All das war auf wundersame Weise schön, doch Hilfe konnte ich mir davon nicht versprechen. Wie sollte ich es nur schaffen, dreißig Meter durch messerscharfes Getreide zu laufen?
    Doch vielleicht war das ja gar nicht nötig.
    Ich musste mich nur so weit bewegen, dass ich außerhalb des Hauses wieder herauskam.
    Aber Harmony hätte wirklich so nett sein können zu erwähnen, dass selbst die Begegnung mit der Pflanzenwelt ziemlich schmerzhaft enden konnte.
    Okay, Kaylee, konzentrier dich … Wie weit war es wohl von meinem Zimmer bis in den Vorgarten vor unserem Haus? Ich schloss die Augen und stellte mir mein Zimmer vor. In meiner Fantasie drehte ich mich um und ging quer durchs Zimmer bis zur gegenüberliegenden Wand. Es waren ungefähr zehn Schritte, umgerechnet also etwa drei Meter nach rechts, wenn ich genau vor dem Fenster rauskommen wollte. Vorausgesetzt, ich verschätzte mich nicht und landete mitten in der Wand.
    Vielleicht sollte ich lieber vier Meter daraus machen, nur zur Sicherheit.
    Ich atmete noch einmal tief durch und hob die Arme in die Luft, um mir an den scharfen Halmen nicht die Haut aufzuschneiden. Dann schob ich den rechten Fuß so behutsam wie möglich zur Seite.
    Mindestens vier der glasartigen Halme zerbrachen und zerfielen auf meinem Bein erst zu scharfkantigen Bruchstücken, dann zu winzig kleinen Splittern. Diesmal war ich geistesgegenwärtig genug, die Splitter nicht wegzuwischen, und kam mit ein paar unbedeutenden Kratzern davon.
    Irgendwo links von mir ertönte plötzlich ein leises Knurren, gefolgt von einem Rascheln, und die Pflanzen neben mirgerieten in Bewegung.
    Mein Puls raste, und trotz der Kälte brach mir der Schweiß aus. Panisch wischte ich die Haarsträhne weg, die mir in die Augen gefallen war, und sah mich suchend um. Doch alles blieb ruhig, zumindest für den Moment.
    Ich beeilte mich weiterzukommen und schob mich seitwärts durchs Gras. Nach jedem Schritt wartete ich kurz, bis sich die Vegetation beruhigt hatte und ich sicher sein konnte, dass ich mich nicht ernsthaft geschnitten hatte. Bei jedem Rascheln im Feld wurde mir fast schlecht vor Angst, doch ich konnte nicht erkennen, woher es kam.
    Pflanzensplitter knirschten unter meinen Sohlen, aber ich lernte schnell, die Füße so zu setzen, dass die Splitter nicht auf mein Bein, sondern in die andere Richtung rieselten. Das Rascheln folgte mir wie ein unheimliches Echo aus dem Winkel meines Gehirns, der für Panik zuständig war. Ich betete inständig, dass mich der Verursacher dieses Geräusches nicht irgendwann anspringen würde. Oder beißen. Oder Schlimmeres.
    Zehn mühsame Schritte später beschloss ich, dass ich weit genug gegangen war, steckte die Finger in die Ohren, kniff die Augen zu und blendete die Unterwelt völlig aus. Mir war egal, ob ich dabei albern aussah, solange ich wie geplant in unserem Vorgarten herauskam.
    Ich wollte nichts lieber tun, als in meinem Vorgarten zu stehen und albern auszusehen.
    Diesmal störte ich mich nicht daran, dass der Klageschrei sich noch leichter heraufbeschwören ließ. Im Gegenteil, ich war froh, denn mit diesem raschelnden Geräusch im Ohr wäre es mir sicher schwergefallen, mich längere Zeit zu konzentrieren. Auch das mit der Absicht klappte jetzt viel besser. Ich wollte wirklich gerne nach Hause, auch wenn ich mich direkt wiederhinausschleichen würde.
    Diesmal behielt ich die Augen offen und beobachtete alles. Die Unterwelt verblasste um mich herum, wurde erst grau, dann komplett durchsichtig. Die scharfen Halme lösten sich auf, bis sie ganz verschwunden

Weitere Kostenlose Bücher