Rette meine Seele - Vincent, R: Rette meine Seele
Zähne bekam oder nicht.
Wir redeten nicht viel beim Essen, bis auf ein paar nervige Fragen wie „Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“ – „Ja.“ – „Wie geht es Harmony und Nash?“ – „Gut.“ Gott sei Dank fragte er nicht nach Todd, denn dann hätte er mich sofort ertappt. Was seine Laune nicht gerade gebessert hätte.
„Wie lange soll das noch so laufen?“, fragte er, als ich den Stuhl zurückschob und den Pappteller in den Abfall warf. „Wie lange willst du noch schmollen?“
„Ich schmolle nicht.“ Ich tappte ins Wohnzimmer und verstaute meine Schulbücher im Rucksack. „Es gibt nur …“ Es gibt nur so vieles, was ich dir nicht sagen kann. So vieles, wofür ich deine Hilfe bräuchte. Aber du würdest mir nicht helfen. Also brauchen wir auch nicht darüber zu reden . „Es gibt so viel, was mir im Kopf herumgeht. Aber das hat nichts mit dir zu tun.“
Wie gerne hätte ich ihm gesagt, dass bald alles besser werden würde. Er musste sich gar nicht so anstrengen. Er musste nur aufhören, mich wie ein kleines Kind zu behandeln. Ich war schließlich schon sechzehn! Dann würde er auch endlich begreifen, dass Nash mich vor Schwierigkeiten bewahrte und nicht hineinbrachte.
Wenn es so weit war, würden wir viel entspannter miteinander umgehen. Vielleicht könnten wir dann auch über meine Mutter sprechen, ohne dass er gleich in Tränen ausbrach oder sich irgendeine Ausrede einfallen ließ, um das Thema zu wechseln.
Aber so weit waren wir noch nicht. Nicht, solange ich ihm die Sache mit Addy und Regan verheimlichte. Er spürte genau, dass etwas nicht stimmte. Und ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, bis mit der Lügerei Schluss war.
Bald. Ganz bald.
Kurz nach elf schlief Dad in seinem Sessel ein. Ich ließ ihn ein paar Minuten schnarchen, ehe ich den Fernseher ausschaltete.
Warum musste er ausgerechnet im Wohnzimmer einschlafen und nicht in seinem Bett?
Mir blieb noch etwa eine halbe Stunde bis zum vereinbarten Treffen mit Nash. Ich konnte Dad immer noch wecken und ihn ins Bett schicken. Aber beim letzten Mal hatte er es sich dann anders überlegt und war bis spät in die Nacht aufgeblieben, um sich einen hirnlosen Actionfilm anzusehen.
Ich konnte ihn auch hier sitzen lassen und hoffen, dass er mein Verschwinden nicht bemerkte. Aber die Gefahr, dass ihn das Geräusch der Haustür aufweckte, war einfach zu groß. Das Fenster in meinem Zimmer war leider so mit Farbe verschmiert, dass es sich nicht öffnen ließ, und die Hintertür quietschte wie ein hysterisches Ferkel.
Blieb also nur der Notfallplan, auf den ich gar nicht scharf war.
Als ich an Dads Schlafzimmertür vorbeischlich, sah ich mein Handy auf dem Nachttisch liegen. Er würde gar nicht merken, dass ich es genommen hatte. Aber mir gab es eine gewisse Sicherheit für den Fall, dass irgendwas schrecklich schieflief.
Also schnappte ich mir das Handy und schlich in mein Zimmer. Ich betrachtete mich eine Weile im Spiegel. Ob ich den Mut aufbringen würde zu tun, was nötig war? Ich hätte zu gerne gewusst, ob sich meine Iris drehten. Angst genug hatte ich jedenfalls. Allein bei dem Gedanken an die Unterwelt wurdemein Blut zu kleinen Eiskristallen. Würde ich es schaffen, mich in der Unterwelt ganz normal zu bewegen? Hatte ich den Mut, ein Gespräch mit dem Hellion zu verlangen und ihm einen Tauschhandel anzubieten?
Und wenn ja – würde ich dieses Gespräch überleben? Worauf hatte ich mich da bloß eingelassen? Es war eine ausgesprochen dumme Idee, die Aufmerksamkeit eines Dämons auf mich zu lenken. So ziemlich das Gegenteil der Überlebensstrategie meines Vaters, die lautete: nur nicht auffallen.
Aber zumindest war ich nicht allein. Nash und Todd begleiteten mich. Ich musste es nur noch schaffen, mich aus dem Haus zu schleichen.
Was soll ich mitnehmen?
Irgendetwas, das in der Unterwelt auch funktionierte. Zu viel wollte ich nicht mitschleppen, aber nur mit einem nutzlosen Telefon in der Tasche in diese andere Wirklichkeit vorzudringen, schien mir auch nicht besonders clever zu sein. Den Hausschlüssel steckte ich vorsichtshalber ein. Mit Bargeld kam ich in der Unterwelt nicht weiter – Nash zufolge war dort eine ganz undenkbare Währung im Umlauf –, aber auf dem Weg dorthin könnte es sich als nützlich erweisen.
Die wenigen Dinge, die ich besaß, bewahrte ich in einer kleinen Steinschatulle auf meiner Kommode auf: den Verlobungsring meiner Mutter und die achtundvierzig Dollar, die von meinem letzten
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