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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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will behilflich sein, sie aufzuspüren.
    Was heißt, dass ich erneut mit Warner sprechen muss.
    Ich werde ihn wie einen Gefangenen behandeln. Keine Gespräche, die nichts mit der Sache zu tun haben. Kein Einlassen auf seine Verwirrungsmanöver. Nicht immer wieder dasselbe Spiel. Diesmal werde ich schlauer sein.
    Und ich will mein Notizheft zurück.
    Die Wachen schließen mir auf, ich marschiere ins Zimmer, schließe die Tür hinter mir, will die Ansprache halten, die ich innerlich geübt habe. Bleibe abrupt stehen.
    Weiß nicht mehr, was ich eigentlich erwartet habe.
    Womöglich hatte ich mir vorgestellt, dass er versucht, ein Loch in die Wand zu graben oder das Ableben sämtlicher Bewohner von Omega Point plant oder ich weiß nicht ich weiß nicht ich weiß nichts mehr, ich weiß nur, wie ich eine wütende Kreatur, ein überhebliches Monster bekämpfen kann, aber ich weiß nicht, was ich mit dem tun soll, was ich hier vor mir sehe.
    Er schläft.
    Jemand hat ihm eine Matratze gegeben, sie ist dünn und abgenutzt, aber besser als der Fußboden, und Warner liegt darauf, nackt bis auf schwarze Boxershorts.
    Inmitten seiner Kleider.
    Hose, Hemd, Socken sind knittrig und leicht feucht, offenbar von Hand gewaschen und zum Trocknen auf dem Boden ausgelegt; sein Sakko wurde ordentlich über seine Stiefel gebreitet, die Handschuhe obenauf.
    Warner rührt sich nicht.
    Er liegt auf der Seite, das Gesicht ruht auf dem angewinkelten linken Arm, der rechte Arm an seinem Körper, der perfekt muskulös und glatt ist und einen schwachen Duft nach Seife verströmt. Ich weiß nicht, warum ich nicht aufhören kann, ihn anzustarren. Ich weiß nicht, weshalb Gesichter im Schlaf so weich und unschuldig werden, so friedlich und wehrlos. Ich will den Blick abwenden und bin doch außerstande dazu. Ich weiß nicht mehr, was ich mir vorgenommen habe, die mutigen Worte, die ich mir ausgedacht hatte, sind vergessen. Denn da ist etwas an Warner – da war schon immer etwas, das mich fasziniert hat, und das verstehe ich nicht. Ich wünschte, es wäre nicht so, aber ich kann es nicht ignorieren.
    Ich schaue ihn an und denke, dass es vielleicht nur an mir liegt. Vielleicht bin ich einfach zu arglos.
    Dennoch sehe ich schimmerndes Gold und Grün, ich sehe einen Menschen, der niemals die Chance bekam, menschlich zu sein, und ich frage mich, ob ich nicht ebenso grausam bin wie meine Unterdrücker, wenn ich glaube, dass manche Menschen verloren sind, dass sie nicht mehr umkehren können, dass sie keine zweite Chance verdienen, aber ich kann nicht anders kann nicht anders kann nicht anders
    ich muss an etwas anderes glauben.
    Ich muss daran glauben, dass man mit 19 noch nicht aufgegeben werden sollte, dass man mit 19 noch am Anfang ist, dass man mit 19 noch nicht für immer und ewig als böse verdammt werden darf.
    Und ich frage mich, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn man mir eine zweite Chance gegeben hätte.
    Deshalb weiche ich zurück. Will hinausgehen.
    Ihn schlafen lassen.
    Dann halte ich inne.
    Auf der Matratze, halb verdeckt von Warners Hand, liegt mein Notizheft. Die ideale Gelegenheit, es mir zurückzuholen. Wenn ich vorsichtig und leise genug bin.
    Auf Zehenspitzen nähere ich mich, dankbar, dass meine weichen Stiefel für lautloses Gehen entworfen wurden. Und dann fällt mir noch etwas auf.
    Ein kleines schwarzes Rechteck, auf Warners Rücken.
    Ich beuge mich vorsichtig vor.
    Verenge die Augen.
    Blinzle.
    Ein Tattoo.
    Kein Bild. Nur ein Wort. Ein einziges Wort, unterhalb des Nackens. Schwarze Tinte.
    ENTFLAMME
    Und die gesamte Haut ist von Narben übersät.
    Mir schießt so schnell das Blut in den Kopf, dass mir schwindlig wird. Übel. Als müsste ich mich in dieser Sekunde übergeben. Ich will panisch herumschreien, jemanden schütteln, die Gefühle verstehen, die mich würgen, weil ich mir nicht vorstellen nicht vorstellen nicht annähernd vorstellen kann, welche Schmerzen er durchlitten haben muss.
    Sein Rücken ist eine Landkarte der Qualen.
    Dicke, dünne, wulstige, entsetzliche Narben. Narben wie Straßen ins Nirgendwo. Gezackte Spuren, die ich nicht begreifen kann, Zeichen von Foltern, die ich nicht einmal erahnen kann. Sie sind die einzigen Makel an seinem Körper, verborgene Makel, die ihre eigenen Geheimnisse bergen.
    Und nicht zum ersten Mal wird mir bewusst, dass ich nicht weiß, wer Warner wirklich ist.
    »Juliette?«
    Ich erstarre.
    »Was machst du hier?« Er sieht mich erschrocken an.
    »I-ich wollte mit d-dir sprechen

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