Rette mich
eine Schusterei, die, so hegte ich den Verdacht, in Wirklichkeit ein blühendes Geschäft für gefälschte Ausweise war. Im Ernst, wer ließ denn heute noch seine Schuhsohlen reparieren?
»Sollen wir uns Armbänder geben lassen?«, fragte Vee.
»Nicht heute Abend. Sie schenken keinen Alkohol aus, weil die Hälfte der Band selbst noch nicht achtzehn ist. Scott hat mir gesagt, wir bräuchten nur Eintrittskarten.«
Wir stellten uns in die Warteschlange und gingen fünf Minuten später durch die Tür. Das geräumige Innere bestand aus der Bühne auf einer Seite des Raumes und der Bar auf der anderen. Es gab Sitznischen dicht an der Bar und Kaffeetische näher an der Bühne. Es hatte sich bereits eine anständige Menge Leute versammelt, und jede Minute wurden es mehr; ich spürte, dass ich Scott nervös erwartete. Ich versuchte, in der Menge Nephilimgesichter auszumachen, aber ich hatte nicht genug Erfahrung, um mir zuzutrauen, sie zuverlässig zu erkennen. Nicht, dass ich Grund hatte anzunehmen, dass das Devil’s Handbag ein bekannter Treffpunkt für Nichtmenschen war – besonders für solche, die etwas mit Hank zu tun hatten. Ich glaubte einfach, dass es nicht schadete, vorsichtig zu sein.
Vee und ich gingen direkt zur Bar.
»Etwas zu trinken?«, fragte uns die Frau hinter dem Tresen, eine Rothaarige, die großzügig mit Kajal und Nasenringen geschmückt war.
»Selbstmord«, sagte Vee zu ihr. »Du weißt schon, wenn man einen kleinen Schuss von allem ins Glas tut.«
Ich beugte mich zu ihr hinüber. »Wie alt sind wir?«
»Die Kindheit kommt nicht zurück. Genieße sie.«
»Cherry Cola«, sagte ich zur Barkeeperin.
Als Vee und ich zurückgelehnt unsere Getränke schlürften und dabei die Aufregung vor der Show beobachteten, schlenderte eine schlanke Blonde herüber, die ihr Haar in einem losen – und sexy – Knoten trug. Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Bar, Ellbogen aufgestützt, und warf mir einen flüchtigen Blick zu. Sie trug ein langes Zigeunerkleid, und der schicke Hippie-Look stand ihr perfekt. Abgesehen von einem Hauch meerjungfrauenroten Lippenstifts trug sie überhaupt kein Make-up, was die Aufmerksamkeit auf ihren vollen, geschwungenen Mund lenkte. Sie sah auf die Bühne und sagte: »Ich hab euch Mädchen hier noch nie gesehen. Erstes Mal?«
»Was geht dich das an?«, fragte Vee.
Die Frau lachte, und obwohl der Ton leise und kitzelnd war, ließ er mir doch die Nackenhaare zu Berge stehen.
»Oberschule?«, riet sie.
Vee kniff die Augen zusammen. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Und du bist …?«
Die Blonde ließ ein Lächeln aufblitzen. »Dabria.« Ihre Augen nagelten mich fest. »Ich habe von dem Gedächtnisverlust gehört. Schade.«
Ich verschluckte mich an meiner Cherry Cola.
Vee sagte: »Du kommst mir bekannt vor. Aber dein Name sagt mir nichts.« Sie verzog nachdenklich die Lippen.
Zur Antwort warf Dabria Vee einen kühlen Blick zu, und jeglicher Verdacht verschwand aus Vees Gesicht, einfach so, und ließ sie so leer zurück wie stilles Wasser. »Ich habe dich noch nie im Leben gesehen. Es ist das erste Mal, dass wir uns sehen«, sagte Vee monoton.
Ich blitzte Dabria an. »Können wir reden? Allein?«
»Ich dachte schon, du würdest nie fragen«, antwortete sie leichthin.
Ich drängte mich auf den Flur, der zu den Toiletten führte. Als wir aus der Menge heraus waren, drehte ich mich zu Dabria um. »Erstens, hör auf, mit der Psyche meiner besten Freundin herumzutricksen. Zweitens, was hast du hier zu suchen? Und drittens, du bist viel hübscher, als Patch mich hat glauben machen.« Letzteres hätte ich wohl nicht unbedingt sagen müssen, aber jetzt, wo ich mit Dabria allein war, war ich nicht in der Stimmung, um den heißen Brei herumzureden. Am besten kam ich gleich zur Sache.
Ihr Mund verzog sich zu einem zufriedenen Schmunzeln. »Und du bist entschieden weniger hübsch, als ich in Erinnerung hatte.«
Plötzlich wünschte ich, ich hätte etwas Eleganteres angezogen als lockere Jeans, ein beschriftetes T-Shirt und eine Armeekappe. Ich sagte: »Er ist über dich hinweg, also haben wir klare Verhältnisse.«
Dabria betrachtete eingehend ihre Fingernägel, bevor sie unter gesenkten Wimpern hervor zu mir aufsah. Unmissverständlich wehmütig sagte sie: »Ich wünschte, ich könnte sagen, ich wäre über ihn hinweg.«
Hab ich es dir nicht gesagt! , dachte ich wütend in Patchs Richtung.
»Unerwiderte Liebe ist übel«, sagte ich nur.
»Ist er hier?« Dabria verrenkte
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