Rette mich
»Letzten Sommer habe ich dir meine Erzengelkette gegeben. Du hast sie mir zurückgegeben, aber ich möchte, dass du sie wieder nimmst. Sie nützt mir nichts mehr. Aber sie könnte dir vielleicht nützlich sein.«
»Hank würde alles tun, um an deine Kette zu kommen«, protestierte ich und schob Patchs Hände weg. »Behalte sie. Du musst sie verstecken. Hank darf sie nicht finden.«
»Wenn Hank meine Kette dem Erzengel umlegt, dann hat sie keine Wahl und muss ihm die Wahrheit sagen. Sie wird ihm die reine, unveränderte Wahrheit sagen und das freiwillig. Da hast du Recht. Aber die Kette wird das Treffen außerdem aufnehmen, es für immer in sich einprägen. Früher oder später wird Hank eine Kette in die Finger bekommen. Besser, er nimmt meine, als dass er eine andere findet.«
»Einprägen?«
»Ich will, dass du sie irgendwie Marcie zukommen lässt«, beauftragte er mich und befestigte die Kette an meinem Hals. »Es darf nicht zu offensichtlich sein. Sie muss denken, sie hätte sie dir gestohlen. Hank wird sie ausfragen, und sie muss glauben, sie hätte dich hereingelegt. Kriegst du das hin?«
Ich zog mich zurück und warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Was planst du?«
Sein Lächeln war schwach. »Ich würde das nicht planen nennen. Ich würde sagen, wir versuchen einen letzten großen Wurf und haben nur noch ein paar Sekunden zu spielen.«
Ich dachte scharf darüber nach, was er da von mir verlangte. »Ich kann Marcie zu mir einladen«, sagte ich schließlich. »Ich kann sagen, ich bräuchte Hilfe dabei, Schmuck auszusuchen, der zu meinem Homecoming-Kleid passt. Wenn sie wirklich Hank dabei hilft, nach einer Erzengelkette für ihn zu suchen, und sie glaubt, dass ich eine habe, dann wird sie sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, in mein Zimmer zu kommen. Ich freue mich nicht darauf, dass sie bei mir herumschnüffelt, aber ich kann es tun.« Ich hielt bedeutungsschwer inne. »Aber erst will ich Genaueres wissen.«
»Hank muss den Erzengel zum Sprechen bringen. Wir auch. Wir müssen einen Weg finden, die Erzengel im Himmel wissen zu lassen, dass Hank Teufelskraft praktiziert. Ich bin ein gefallener Engel, und sie werden nicht auf mich hören. Aber wenn Hank meine Kette berührt, wird sich das der Kette einprägen. Wenn er Teufelskraft benutzt, wird auch das auf der Kette verewigt werden. Mein Wort bedeutet den Erzengeln nichts, aber diese Art von Beweis schon. Wir müssen die Kette nur irgendwie in ihre Hände spielen.«
Ich empfand immer noch einen nagenden Zweifel. »Was, wenn es nicht funktioniert? Was, wenn Hank die Information bekommt, die er will, und wir bekommen nichts?«
Er stimmte mit einem leichten Nicken zu. »Was meinst du, was sollte ich stattdessen tun?«
Ich dachte darüber nach, kam aber auf nichts. Patch hatte Recht. Wir hatten keine Zeit mehr, keine andere Möglichkeit. Wir waren nicht in der besten Lage, aber etwas sagte mir, dass Patch die beste aller risikofreudigen Entscheidungen in seiner gesamten Existenz getroffen hatte. Wenn ich schon in ein so großes Spiel wie dieses hineingezogen werden musste, dann konnte ich mir niemanden vorstellen, mit dem ich lieber zusammen darin steckte.
Siebenundzwanzig
E s war Freitagabend, und meine Mutter und Hank saßen im Wohnzimmer auf der Couch zusammengekuschelt und teilten sich eine Schüssel Popcorn. Ich hatte mich in mein Zimmer zurückgezogen, weil ich Patch versprochen hatte, Hank gegenüber cool zu bleiben.
Hank war die ganze letzte Woche entsetzlich charmant gewesen, hatte meine Mutter aus dem Krankenhaus abgeholt, war jeden Abend zur Essenszeit mit Abendbrot aufgetaucht und hatte heute Morgen sogar unsere Regenrinne sauber gemacht. Ich war nicht so dumm, in meiner Wachsamkeit nachzulassen, aber ich machte mich verrückt damit, seine Motive zu analysieren. Er plante etwas, doch ich tappte völlig im Dunkeln darüber, was es sein könnte.
Das Lachen meiner Mutter drang das Treppenhaus herauf, und das gab mir den Rest. Ich tippte einen Text an Vee ein.
HABE EINTRITTSKARTEN FÜR SERPENTINE. WILLST DU?
SERPEN– WAS?
NEUE BAND EINES FREUNDES DER FAMILIE , erklärte ich. ERSTES KONZERT HEUTE ABEND.
HOL DICH IN ZWANZIG MINUTEN AB.
Genau zwanzig Minuten später quietschte Vee in die Einfahrt. Ich raste die Treppe hinunter in der Hoffnung, es zur Tür hinaus zu schaffen, bevor ich die Tortur ertragen musste, meine Mutter mit Hank knutschen zu hören, der, wie ich hatte erfahren müssen, ein sehr feuchter Küsser
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