retten die Pferde
mitsängen.“
An diesem Samstag mussten die Mädchen nicht wie in der Woche zuvor unauffällig verschwinden. Schon am Freitagmittag hielt Frau Theobald eine Ansprache: „Ihr wisst sicher alle, dass am Sonntag die Bürgermeisterwahl stattfindet. Ich hoffe, wenigstens die älteren unter euch haben in den letzten Tagen Zeitung gelesen, die Zeitung, die ich in drei Exemplaren für euch abonniert habe und die leider wenig Interesse findet. Nur die Seite mit den Kino- und Fernsehprogrammen wird gelesen. Ich würde mir wünschen, dass auch diejenigen, die bisher dieser Wahl keine Aufmerksamkeit geschenkt haben, sich heute noch darüber informieren. Zum ersten Mal kandidiert eine Frau hier bei uns. Ihr dürft noch nicht wählen, aber ihr solltet euch eine eigene Meinung bilden. Am Samstagvormittag wird im Städtchen das große Wahlkampfspektakel stattfinden. Jeder, der Interesse hat,darf daran teilnehmen. Ich hoffe sogar, dass viele von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, lebendige Kommunalpolitik mitzuerleben. Das Mittagessen wird auf halb zwei verschoben.“ Jetzt lächelte sie. „Die Hausmutter hat uns ein kaltes Büfett versprochen. Sie weiß, wie gerne ihr das mögt.“
Es gab Applaus. Die Vierte steckte die Köpfe zusammen.
„Prima, da fallen wir nicht auf, wenn wir runtergehen.“
Samstagmorgen. Sonne mit kleinen Schäfchenwölkchen am blauen Himmel. Der frisch gebackene Hefezopf duftete. Die Mädchen der vierten Klasse trugen Grün und darüber etwas Andersfarbiges. Bobby hatte über ihrer grünen Bluse eine Strickjacke an. Sie schwitzte schon beim weichen Ei. Carlotta, die ein kurzärmliges blaues T-Shirt über dem grünen Trägerhemdchen trug, stieß sie mit dem Ellenbogen an und flüsterte: „Zieh um Himmels willen die Jacke aus! Du schmorst ja im eigenen Saft. Ein oder zwei in Grün, das fällt nicht auf. Schließlich ist Grün in Lindenhof nicht verboten.“
Bobby legte dankbar die Jacke ab und ließ es sich schmek- ken.
Diesmal fuhren sie im Bus nach Rottstadt. Auch Anja war mit von der Partie. Der Fahrer kannte sie und wartete geduldig, bis der Rollstuhl verstaut war. Es fanden sich immer ein paar hilfreiche Männer.
„Alter Markt, Endstation“, rief der Fahrer.
Die Mädchen griffen nach den Taschen, in denen sie alles Wichtige untergebracht hatten. Jenny lud die eingerollten Plakate auf die Schulter und hätte beinahe einer Dame den Hut vom Kopf geschlagen, als sie sich umdrehte.
„Oh, Verzeihung“, stotterte sie.
Die Dame war mehr als mollig, trug ein spießiges Kostüm, einen Hut, den sie lieber der Heilsarmee hätte schenken sollen, und zwischen Hut und Kostüm befand sich ein Gesicht, das dem eines wohlgenährten Bernhardiners ähnelte. Sie lachte herzhaft.
„Halb so schlimm“, meinte sie und rückte sich den Hut zurecht. „Es waren wenigstens keine Eisenstangen, sondern
cc
„Wahlplakate“, mischte sich Marion ein.
„Ach, dann seid ihr Wahlhelferinnen?“
„Ja, so was Ähnliches. Wir möchten, dass Frau Fröschl unsere Bürgermeisterin wird. Sie auch?“
„Vielleicht. Ich muss es mir noch überlegen.“ Hanni drängte sich neben sie. „Dürfen wir Ihnen ein Fröschl anstecken?“, fragte sie mit ihrem reizendsten Lächeln. „Nanni, gib mal her.“
„Zwillinge, nein, wie lustig“, meinte die Dame und wehrte sich nicht, als Hanni ihr den Plastikfrosch ans Revers ihres violetten Kostüms piekste.
„Passt gut zu Lila“, sagte sie erfreut.
Die Mädchen verbissen sich tapfer jegliches Grinsen.
Dann mischte sich ein älterer Mann ein: „Seid ihr deshalb alle grün angezogen, weil die Frau Fröschl . nun ja .“ „Genau. Fröschl, das ist Frosch, und Frosch ist grün“, erklärte Carlotta. „Wenn Frau Fröschl nicht Frau Fröschl hieße, sondern zum Beispiel Frau Kirsch, dann hätten wir etwas Rotes an.“
„Aha“, sagte der Mann. „Aha. Ich verstehe.“
Der ganze Bus hatte zugehört, die Leute unterhielten sich über die Wahl, keiner dachte ans Aussteigen.
„Bitte Beeilung, meine Herrschaften“, murrte der Fahrer. Er musste pünktlich zurück.
Als die Mädchen mitsamt Rollstuhl und Gepäck draußen waren, sagte Jenny kichernd: „Ich dachte, diese Violette mit dem Wahnsinnshut ist eine Zicke und regt sich auf, weil ich ihr beinahe die Semmel vom Kopf gehauen hätte. Dabei war sie richtig nett. Ich hab was dazugelernt. Nicht jede, die so aussieht wie eine Zicke, ist auch eine Zicke.“
„Quatscht nicht, Kinder, wir haben’s eilig. Auf die Plätze «
Das
Weitere Kostenlose Bücher