Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
ist aber auch nicht auszuschließen, dass sich die Länder so stark auseinanderentwickeln, dass auch diese Grenze nicht mehr hält und Europa in den Zustand vor Beginn der Einigung, also in die Zeit vor 1950 zurückfällt – in eine Zeit mit vielfältigen Rivalitäten zwischen den einzelnen Ländern. Das will niemand.
Viertens: Währungen haben ein Beharrungsvermögen. Währung kommt von »währen«. Man wechselt sie nicht wie ein Auto, von dem es alle drei, vier Jahre ein neues Modell gibt. Da muss es schon einen erheblichen Vertrauensverlust geben. Die Lage muss aussichtslos sein, bevor man sich zu so einem Schritt entschließt. Währungsumstellungen passieren daher meist nur bei großen politischen Umwälzungen (etwa der deutsch-deutschen Wiedervereinigung 1990) oder wenn durch Kriege oder Inflation die Grundlagen der Währung zerstört werden.
Fünftens – das klingt sehr oberflächlich – zeigt die Lebenserfahrung, dass sich die Welt nicht an die üblichen Prognosewahrheiten hält. Meist kommt es anders, als man denkt. Nicht, weil die Defizite des Euro doch nicht so gravierend sind oder in den nächsten Jahren schnell korrigiert werden könnten. Mein Argument ist ein anderes. Es beruht auf der Skepsis gegenüber der Vorstellung, dass alles in der Welt logisch abläuft. Von den 25 Rezessionen, die die Ökonomen in den letzten 50 Jahren für Deutschland prognostizierten, sind gerade einmal sieben eingetreten. Ich zitierte eingangs die Investorenlegende Jim Rogers, der mit einem Ende des Euro in 25 Jahren rechnet, trotzdem aber nicht nur Dollar, sondern auch Euro hält. So sicher scheint ihm das mit dem Ende des Euro doch nicht zu sein.
Sechstens: Währungen haben auch eine emotionale Komponente. Mit dem Geld sind die Menschen aufgewachsen, haben ihr erstes Taschengeld bekommen, ihr erstes Geld verdient, damit haben sie die Eheringe gekauft. So etwas wirft man nicht einfach weg. Noch immer haben einige Deutsche Scheine und Münzen aus der D-Mark Zeit aufgehoben – nicht als Notgroschen, sondern als Erinnerung.
Man sollte die Umfragen zum Euro und zu einer Rückkehr zur D-Mark daher nicht ganz so ernst nehmen. Solange das Ende des Euro nur ein theoretisches Gedankenspiel ist, kann man viele Meinungen äußern. Wenn es ernst wird und die Frage wirklich ansteht, wird manches anders aussehen.
Meine Schlussfolgerung: Der Euro wird in den nächsten 10 bis 20 Jahren überleben. Es kann zwar noch viel passieren. Es kann Umschuldungen und Staatspleiten geben. Es können Mitglieder austreten und andere eintreten. Die nächsten Jahre werden kein Spaziergang. Am Ende aber wird der Euro gestärkt aus der Krise hervorgehen. Die großen Schuldnerländer machen ihre Hausaufgaben. Sie stehen wieder ordentlich da.
Wer auf ein baldiges Ableben der europäischen Währung spekuliert, macht einen Fehler. 2025 ist kein kritisches Jahr für die Gemeinschaftswährung.
2. Der Crash im Jahr 2044
Über den Berg ist der Euro damit noch nicht. Der Crash droht 2044. Wenn die Bedingungen für eine funktionierende Währungsunion bis dahin nicht erfüllt sind, wird es kritisch.
Ein gutes Auto kann auf ordentlichen Straßen auch mit schlechten Reifen noch eine Weile fahren. Irgendwann ist freilich Schluss. Besonders gefährdet ist das Auto, wenn es in eine brenzlige Situation gerät. Dann kann ein Reifen schnell platzen.
Bis 2044 ist es noch eine lange Zeit. Kein Grund für die Politiker also, sich darauf schon jetzt vorzubereiten, sich Gedanken zu machen. Genau hier liegt das Problem. Die Gefahr wird nicht ernst genommen.
Wie ich auf diese Jahreszahl komme? Rein formal ist es eine Extrapolation der Lebensdauer der beiden letzten großen nicht erfolgreichen Währungsunionen. Die Lateinische Münzunion wurde 1865 gegründet und hielt bis 1914 (de iure wurde sie 1926 »beerdigt«); die Nordische Münzunion entstand 1872 und zerbrach 42 Jahre später wieder mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges (endgültig aufgehoben wurde sie 1924). Nimmt man die durchschnittliche Lebensdauer dieser beiden Währungsunionen (45 Jahre) und überträgt das auf den Euro, dann ergibt sich das kritische Jahr 2044. Geht man von der juristischen Lebensdauer der beiden Währungsunionen aus, unterstellt also, dass es keinen GAU wie im Jahr 1914 gibt, dann wäre 2055 das kritische Jahr für den Euro.
Das ist natürlich rein formal gerechnet. Dennoch steckt ein Körnchen Wahrheit darin.
Bis 2044 wird der Elan der neuen Währung gänzlich verbraucht
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