Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
dann werde ich zugeben, dass ich mit dem Euro als Zahlungsmittel ganz gut zurechtkomme. Was ich nicht mag, ist das Gezerre in der Währungsunion. Diesen Unterschied kann man in einer Umfrage kaum klarmachen.
Der Euro als Währung erfüllt seinen Zweck. Er hat keine offensichtlichen Macken. Junge Menschen unter 20 Jahren kennen gar keine andere Währung, außer vielleicht aus vagen Erinnerungen an das Taschengeld.
Geht’s auch ohne Euro? Ja, natürlich. Es geht alles. Aber wenn’s wirklich zum Schwur käme, sähe die Haltung vieler Menschen anders aus. Die meisten würden eine neue Währung nur haben wollen, wenn sie wirklich erkennbar besser wäre als die alte. Die Vorstellung von einer einfachen Rückkehr beispielsweise zur alten D-Mark ist nichts als Nostalgie. Den tatsächlichen Aufwand und die Unsicherheit einer Umstellung der Währung wollen die wenigsten, die das schon mitgemacht haben, noch einmal erleben.
Mit jedem zusätzlichen Jahr wird ein Abschied von der Gemeinschaftswährung schwerer. Irgendwann wird auch eine emotionale Bindung zu der Gemeinschaftswährung entstehen. Irgendwann kommt die Zeit, in der die Mehrheit der Menschen eine Abschaffung des Euro bedauern würde.
2. Der Blick der Unternehmer
Ich traf den Mann in seinem Büro in einer süddeutschen Kleinstadt. Er war Inhaber und Chef einer hochspezialisierten Maschinenfabrik. Wir unterhielten uns über den Euro. Auf meine Frage, wie es wäre, wenn die gemeinsame europäische Währung nicht mehr existierte, lehnte er sich in seinem Bürosessel zurück und überlegte. »Ich kann mir ein Leben ohne den Euro nicht mehr vorstellen.«
Nach einer kurzen Pause: »Die Einführung des Euro war für unsere Firma ein Segen. Sie hat unser Geschäft auf eine solidere Basis gestellt. Wir haben weniger Schwankungen bei den Exporterlösen. Wir müssen nicht täglich auf die Devisenkurse schauen. Der Überweisungsverkehr mit unseren Kunden und Lieferanten ist einfacher und billiger. Das sichert am Ende die Beschäftigung und beschert uns mehr Gewinn. In unserer Finanzabteilung konnten wir nach der Einführung des Euro zwei Stellen einsparen, die wir dringend bei der Entwicklung brauchten.«
Seine Firma ist – außer in Deutschland – vor allem in Italien und in den USA tätig. Als ich nachhakte, wurde er sehr bestimmt: »Wenn es den Euro nicht gäbe – das wäre eine Katastrophe. Ich erinnere mich noch gut, wie sehr mein Vater in der Nachkriegszeit unter den Währungskrisen litt. Da wertete sich nicht nur der Dollar permanent ab und gefährdete unser Geschäft in Amerika. Was noch schlimmer war: Gleichzeitig ging meist die Lira noch stärker in den Keller und entwertete unsere Erlöse in Norditalien. Wir kamen also von zwei Seiten unter Druck. Wir waren gewissermaßen in einer Sandwich-Situation.
Ich glaube, es war im Spätsommer und Herbst 1992. Ich hatte gerade mein Studium abgeschlossen und bereitete mich darauf vor, in die Firma meines Vaters einzusteigen. Das war die Zeit der Pfund-Krise. Da bekamen wir bei unseren US-Verkäufen binnen weniger Wochen für einen Dollar nicht mehr 1,80 D-Mark, sondern weniger als 1,60, das waren gute 10 Prozent weniger. Für 1000 Lire gab es statt 1,32 weniger als 1,10 D-Mark. Ich habe die Zahlen noch so genau im Gedächtnis, weil sie mich so beeindruckt haben. Das waren fast 20 Prozent weniger Erlöse aus Italien. Stellen Sie sich vor, wie schwierig es ist, in solchen Zeiten zu planen und zu arbeiten.
Die Löhne mussten ja weiterbezahlt werden. Und auch bei den Vorprodukten hatten wir keine Ersparnis. Allenfalls wurde das Öl etwas billiger als bei unseren ausländischen Konkurrenten. Das machte den Kohl aber nicht fett.
Da herrschte bei uns zu Hause morgens am Frühstückstisch oft ›dicke Luft‹. Mein Vater hatte wegen der Devisenrisiken seiner Firma schlecht geschlafen. Und richtig sauer war er natürlich auf seinen Finanzchef, der die Krise nicht richtig vorausgesehen und die Exporterlöse nicht rechtzeitig abgesichert hatte. Dabei konnte der arme Kerl ja auch nicht hellsehen. Er ist heute immer noch bei uns.
Wir versuchten uns gegen die Risiken der Wechselkursschwankungen abzusichern, indem wir unsere Produkte nur noch gegen D-Mark verkauften. Aber das war eine Milchmädchenrechnung. Denn wenn sich Lira oder Dollar gegenüber der D-Mark abschwächten, dann verlangten die Kunden Rabatte oder Preisnachlässe. Wir mussten dem nachgeben, denn unsere Konkurrenz saß damals zum Teil in Italien und
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