Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
hatte die Aufwertungsprobleme nicht. Am Ende standen wir dann auch nicht viel besser da.
Die einzige Lösung wäre gewesen, wenn wir in den USA und in Italien eigene Produktionsstätten errichtet hätten. Daran hat mein Vater auch gedacht. Dann wären wir von Wechselkursschwankungen nicht mehr so abhängig gewesen. Aber stellen Sie sich einmal vor, was das gekostet hätte. Und dann hätte das Ganze hier von uns in Deutschland gesteuert und überwacht werden müssen. So etwas kann sich nur eine große Firma leisten, nicht ein mittelständischer Betrieb wie wir. Den Mittelständler beißen mal wieder die Hunde.
Und jetzt kommen Sie mit der Frage, ob es nicht auch ohne den Euro ginge! Nein, und nochmals nein: Dass es den Euro nicht mehr gibt, das geht einfach nicht. Da müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen, um das zu verhindern. Es wäre der Tod des deutschen Mittelstands und der deutschen Exportindustrie.«
Das klingt verständlich und plausibel. Ich habe es hundertmal von den verschiedensten Unternehmern und Verbänden, von den Gewerkschaften, aber natürlich auch von Wissenschaftlern und der Regierung gehört und gelesen. Ich habe es selbst auch immer wieder bei Vorträgen und Kundengesprächen gesagt. Aber ist es auch richtig?
Aus Sicht des Unternehmers natürlich. Wenn es den Euro nicht mehr gäbe, dann würden in den einzelnen Staaten wieder nationale Währungen eingeführt. Das ganze Währungsmanagement muss neu geordnet werden. Die Unternehmen müssten sich gegen Wechselkursschwankungen absichern. Das ist vor allem in unruhigen Zeiten nicht billig. Große Unternehmen, die in mehreren Ländern des bisherigen Euro-Raums tätig sind, müssten wieder nationale Abrechnungszentren aufbauen, die sie bei der Einführung des Euro geschlossen hatten.
Es müssten vermutlich auch neue Korrespondenzbankverbindungen aufgebaut werden. Bei 17 Einzelwährungen reicht nicht mehr eine Bank für alle Länder. In jedem größeren Währungsgebiet braucht man eine eigene Bank. In Unternehmen und Banken müssten die Computersysteme auf die neuen Währungen programmiert werden. Das war bei der Einführung des Euro ein wichtiger Kostenfaktor. Heute wäre es vermutlich etwas billiger, weil die Unternehmen Erfahrung haben, würde aber dennoch viel Geld kosten. Die Banken würden den Devisenhandel mit europäischen Währungen wieder ins Leben rufen.
All das ginge entweder zu Lasten des Gewinns oder würde auf die Preise für die Abnehmer aufgeschlagen. Weil der grenzüberschreitende Handel teurer würde, würden sich die innergemeinschaftlichen Ex- und Importe verringern. In der ökonomischen Theorie spricht man hier von der Verringerung der Effizienz des Wirtschaftens. Der Wohlstand der Bürger würde sinken. Vielleicht ginge auch Beschäftigung verloren. Wer sich besserstellen würde, sind vermutlich die Banken. Sie hätten mit dem Devisenhandel wieder zusätzliche Ertragsquellen.
Die D-Mark (sollte die deutsche Währung denn wieder so heißen) würde gegenüber den Partnerländern (nicht unbedingt gegenüber dem Dollar) aller Voraussicht nach aufwerten. Die Exporterlöse der Unternehmen würden sich entsprechend verringern. Gleichzeitig gingen freilich auch die Kosten für importierte Güter zurück. Dadurch würde sich der negative Effekt der Aufwertung etwas verringern und die Lage erträglicher.
Am stärksten betroffen wäre natürlich der Mittelstand, weil er nicht so global operiert wie große Unternehmen, die weit über Europa hinausdenken.
Trotzdem haben sich 50 europäische Topmanager im Sommer im Jahr 2011 in einer ganzseitigen Anzeige (in vielen Tageszeitungen) für den Euro und seine Rettung stark gemacht. »Die Rückkehr zu stabilen Verhältnissen wird viele Milliarden kosten«, heißt es darin, »aber die Europäische Union und unsere gemeinsame Währung sind diesen Einsatz allemal wert.«
Überraschend war, dass zur gleichen Zeit ausgerechnet 100 Mittelständler in einer »Berliner Erklärung« sich kritisch zur Euro-Politik der Regierung äußerten. Sie waren nicht gegen den Euro, forderten aber Klartext: »Die Währungsunion muss auf eine neue Grundlage gestellt werden. Austritt und Ausschluss müssen möglich werden.«
3. Der Widerspruch der Volkswirte
Volkswirte sehen die Wirkungen des Euro freilich etwas anders. Natürlich sind die Sorgen der Unternehmen nicht zu leugnen, aber daraus darf man nicht sofort auf die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen schließen.
Machen wir einmal den Umkehrschluss.
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