Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
stehen. Sie muss dafür sorgen, dass die Marktwirtschaft funktioniert. Dazu muss der Staat die Rahmenbedingungen in puncto Wettbewerb, Eigentum, Vertragsrecht und anderem festlegen und darüber wachen, dass sie auch eingehalten werden. Es ist so wie in vielen einzelnen nationalen Volkswirtschaften.
Wenn die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern nicht ausreichend wächst, dann muss man dort nicht neue Konjunkturprogramme auflegen. Man muss vielmehr schauen, warum die Investitionsanreize ungenügend sind, ob es vielleicht an Infrastruktur mangelt oder etwas anderes dafür verantwortlich ist, dass die Marktwirtschaft nicht die gewünschten Resultate bringt. Um im obigen Beispiel zu bleiben: Man muss nicht nur die Zündkerzen austauschen, sondern die Frage stellen, weshalb sie sich so schnell abnützen oder warum die Bremsbeläge so schnell abgefahren sind. Man muss die ganze Funktionsweise des Autos in Frage stellen.
In der Sprache der Scorecard ausgedrückt: Die erste Scorecard muss aufzeigen, wo es Defizite in der marktwirtschaftlichen Ordnung gibt. Wenn man diese identifizieren und reparieren kann, dann kuriert man nicht an den Symptomen, sondern an den tatsächlichen Ursachen.
Eine zweite Scorecard muss sich mit der stabilitätspolitischen Orientierung eines Landes befassen. Wenn die Leistungsbilanz eines Landes ein Defizit aufweist oder sich die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert oder wenn die Verschuldung zu hoch ist, dann hat das bei einer für alle gleichen Geldpolitik etwas damit zu tun, dass die Wirtschaftspolitik die stabilitätspolitischen Erfordernisse nicht oder nicht genügend umsetzt. Wenn die Löhne zu stark steigen, dann liegt das vielleicht daran, dass die Machtbalance zwischen den Tarifvertragsparteien nicht stimmt oder dass Unternehmen auf höhere Löhne nicht mit einem Abbau der Beschäftigung reagieren können.
Wenn man die Ordnungs- und die Stabilitätspolitik genügend koordiniert, geht man an die Ursachen der Probleme und kuriert nicht nur Symptome. Wenn man dann immer noch will, kann man Scorecards für Leistungsbilanzen, Wettbewerbsfähigkeit (oder auch Industriestrukturen) aufstellen.
8. Könnte ein »Gold-Euro« helfen?
Gold-Euro? Ja, Sie haben richtig gelesen. Das ist kein Druckfehler. Was aber hat der Euro mit Gold zu tun? Vor allem, wie könnte Gold dem Euro helfen? Ganz einfach: Gold ist zwar als Zahlungsmittel schlecht geeignet, hat aber das Vertrauen der Menschen. Der Euro ist ein gutes Zahlungsmittel, braucht aber mehr Vertrauen. Wenn sich beide zusammentun, könnte dem Euro geholfen sein.
Ich will hier nicht für eine neue Goldwährung in Europa plädieren. Worum es geht, ist ein Notfallplan. Wenn nichts mehr hilft, um das Vertrauen in den Euro wieder zu stärken und der Währung wieder eine sichere Basis zu geben, dann muss man auch über ungewöhnliche Wege nachdenken.
Die Goldwährung wird heute in vielen Teilen der Öffentlichkeit – nicht unbedingt unter den Experten – mit Sympathie betrachtet. Irgendwie haben die Menschen gespeichert, dass das die Zeit war, in der es keine Inflation gab. Das heißt aber nicht, dass der Geldwert stabil war. Vielmehr gab es vielfach Deflation, also sinkende Preise. Das ist bekanntlich schlimmer als Inflation.
Die Goldwährung im 19. und 20. Jahrhundert war objektiv betrachtet insgesamt keine positive Erfahrung für die Volkswirtschaften. Sie hatte den großen Nachteil, dass sich die Geldmenge nicht nach dem richtete, was für das Funktionieren der Wirtschaft und die Abwicklung der Transaktionen auf den Märkten notwendig war. Entscheidend war vielmehr die Goldproduktion. Wenn diese stieg, weil neue Goldreserven entdeckt wurden oder weil es einen Produktivitätsschub bei der Goldproduktion gab, dann entstand Inflation. Dann war einfach zu viel Geld da, das trieb die Preise nach oben. Wenn die Goldproduktion dagegen langsamer zunahm als das, was in den Volkswirtschaften gebraucht wurde, dann gab es deflationäre Tendenzen. Die Preise stiegen nicht, sondern fielen eher. Das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung wurden behindert, weil nicht genug Geld vorhanden war.
In der Zeit von 1914 bis 1970, als der US-Dollar fest mit dem Gold verbunden war und die amerikanische Zentralbank sich verpflichtete hatte, US-Dollar anderer Notenbanken zu einem festen Preis in Gold einzulösen (private Goldhaltung war verboten), ging das allgemeine Preisniveau in fast einem Viertel der Zeit absolut zurück (in 146 von insgesamt 696 Monaten).
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