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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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Milliarden D-Mark an Steuergeld aufgewendet werden mussten. Immerhin konnte so der totale Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft verhindert werden.
    Weder der für die Ost-Mark so niederschmetternde Wechselkurs noch die Warnungen des Bundesbankpräsidenten konnten unsere damals verantwortlichen Politiker, die Parteivorsitzenden der drei Koalitionsparteien, Kohl, Waigel und Genscher, davon abhalten, mit der DDR Verhandlungen über eine Währungsunion aufzunehmen, wohlgemerkt ohne die Bundesbank zu konsultieren. Man stelle sich vor, die drei hätten der DDR-Bevölkerung damals, als die Umrechnung bei 1:19 stand, einen Kurs von, sagen wir, 1:3 vorgeschlagen, man hätte ihnen Blumen gestreut und Dankchoräle gesungen.
    Es kam aber ganz anders: 1990 war Bundestagswahlkampf, und der stand ganz im Zeichen der für den 3. Oktober vorgesehenen Wiedervereinigung: Erstmals durften die ehemaligen DDR-Bürger mitwählen, die Parteien mussten demnach die jeweiligen
Wahlversprechen auf die neue Klientel zuschneidern, und so kam es nach dem Motto: »Wer bietet mehr« zu einer Art Versteigerung der D-Mark. Zuerst wurde als Umrechnungskurs 1:5 vorgeschlagen, dann folgte 1:4, der nächste wollte 1:3 einführen, bis ausgerechnet die FDP die ökonomische Geisterfahrt sozusagen mit Totalschaden abschloss, indem sie einen Umrechnungskurs von 1:1 vorschlug, nicht für alle Beträge, aber bis zu einer bestimmten Summe. Das war völlig unverantwortlich und durch nichts anderes begründet als die Hoffnung, damit neue Wählerschichten zu erschließen, die sich per Stimmzettel für die wunderbare Geldvermehrung bedanken würden. Konsequent ist Bundesbankpräsident Pöhl, dessen Warnungen man in den Wind geschlagen hatte, damals zurückgetreten, wofür ich heute noch den Hut vor ihm ziehe.
    Der Kardinalfehler, den man mit der Gleichsetzung und Verschmelzung inkompatibler Währungen beging, fiel zunächst gar nicht auf. Denn unmittelbar auf die Wiedervereinigung von Volk und Mark folgte ein nie gesehener Wirtschaftsboom, ein zweites Wirtschaftswunder, das ich damals als Chef der deutschen IBM miterleben konnte. Plötzlich hatte sich der westdeutschen Industrie ein riesiger Markt eröffnet, vollkommen ausgehungert nach dem Warenuniversum der freien Welt und bereit, das neugewonnene Westgeld im Handumdrehen für entsprechende Güter auszugeben. Die IBM verlegte ihren juristischen Sitz zurück nach Berlin, von wo sie nach dem Krieg nach Stuttgart gezogen war, baute schnell ein Vertriebsnetz auf, und ich kann sagen, dass uns die Computer förmlich aus den Händen gerissen wurden. Verkaufstechnisch gesehen, erschienen mir die neuen Bundesländer wie ein ausgetrockneter Schwamm, den man so intensiv bewässern konnte, wie man wollte, er lief niemals über. Natürlich hing auch das mit dem irrwitzigen Wechselkurs von 1:1 zusammen.

    Die kurzfristigen Verkaufseffekte - ein Strohfeuer, das mit deutschem Steuergeld genährt wurde - führten dazu, dass die deutsche Wirtschaft 1991 boomte, und dies ganz im Gegensatz zur übrigen Welt. Trotzdem war der Umrechnungskurs, den kurzsichtige Politiker beschlossen hatten, grundfalsch, ja verhängnisvoll gewesen. Führte er doch zu einer Preiserhöhung ostdeutscher Produkte, die man nicht anders als dramatisch nennen kann. So zumindest empfanden es die bisherigen Kunden der DDR-Betriebe. Denn während beispielsweise eine Abwertung der Lira zu besseren Absatzchancen italienischer Weine im Ausland führte, hatte eine Aufwertung der Mark für die Exportwirtschaft der neuen Bundesländer zur Folge, dass die Produkte um ihre Absatzchancen gebracht wurden. Die Kunden mussten plötzlich fünfmal soviel bezahlen wie vor der Wiedervereinigung. Und da das verständlicherweise keiner mitmachen wollte, brach die alte DDR-Wirtschaft endgültig zusammen, gingen weitaus mehr Firmen im Osten pleite und wurden mehr Arbeitsplätze verloren, als nötig gewesen wäre.
    Diese Entwicklung wiederum hatte einen ganz simplen Grund, der von den westlichen Politikern, die sich auf ihre Spendabilität etwas zugute hielten, schlicht übersehen worden war: Die Kunden der Ostwirtschaft saßen hauptsächlich im Osten. Es waren die »sozialistischen Bruderländer«, die in der DDR eingekauft und über Jahrzehnte die Kundenbasis der dortigen Firmen gebildet hatten. Schlagartig waren deren Produkte um ein Vielfaches teurer geworden, während die Ostblockländer nach wie vor über unzureichende Westdevisen verfügten. Selbst wenn sie gewollt hätten, sie

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