Rettet unser Geld
Ziel hatte, zum anderen die europäische Währungsunion vorbereiten sollte. Sogleich jedoch löste dieses Projekt bei einigen Wirtschaftswissenschaftlern Befürchtungen aus, wie sie sich heute, dreißig Jahre später, bestätigt haben: Sie sahen schon damals voraus, dass das neue EWS »den weniger stabilitätsorientierten Ländern zu viel Spielraum für eine expansive monetäre Politik einräume«, wie Ex-Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer in seinem Buch Herausforderung Euro schrieb. »In Frankreich hingegen wurde das neue Europäische Währungssystem überwiegend als Neubeginn der währungspolitischen Kooperation gewertet, der dem französischen Franc von Anfang an eine volle Teilnahme ermöglichte.«
Und genau das war der springende Punkt: Seit Gründung der Bundesrepublik litt unser westlicher Nachbar darunter, dass die deutsche Wirtschaft und ihr Markenzeichen D-Mark weit üppiger florierten als die heimische Wirtschaft und ihr Franc. Für Frankreich verschlechterte sich von Jahr zu Jahr die Situation sogar noch, wie jeder deutsche Tourist beim Besuch der Normandie oder der Côte d’Azur am Geldbeutel bemerken konnte: Im selben Maß, wie der Wert der Mark emporkletterte, sank der des Franc. Der doppelte Ärger, dass man gleichzeitig selbst verlor, während der Konkurrent gewann, führte irgendwann zur Erkenntnis, dass der politischen Versöhnung, wie Adenauer und de Gaulle sie initiiert hatten, irgendwann die »Versöhnung« der Währungen folgen musste. Von Pompidou bis Mitterrand verfolgte der Elysée-Palast dieses Ziel - und plötzlich bot sich mit der deutschen Wiedervereinigung die Gelegenheit, die Früchte der jahrzehntelangen Bemühungen zu ernten.
Die deutsche Wiedervereinigung, mit der sich die politische Landschaft in Europa veränderte, führte auch zu einem Einschnitt
ins Währungssystem: Bis dahin hatte neben der mächtigen D-Mark deren armer Stiefbruder, die DDR-Mark, hoffnungslos dahinvegetiert, immer auf milde Gaben des Westverwandten angewiesen. Offiziell nannte sie sich ebenfalls Mark, wenn auch »der Deutschen Demokratischen Republik«, und suggerierte Ähnlichkeit zur »echten« Mark, indem sie die große Eins der Eine-Mark-Münze ebenfalls mit Eichenlaub schmückte. Nebenbei bemerkt, wussten die Franzosen es bei der Euro-Einführung einzurichten, dass das Ein-Euro-Stück mit dem gelben Messingring verblüffende Ähnlichkeit mit dem 10-Franc-Stück aufweist. Was nun die Ähnlichkeit der Ost-Mark zur D-Mark betrifft, machten sich Kriminelle diese zunutze und gaben in Ländern, die mit den äußerlichen Unterschieden nicht vertraut waren, die schlechte Währung für die gute aus, was auch öfter klappte.
Ab 1. Juli 1990 ließ sich die Unwissenheit ausländischer Restaurant- und Hotelbesitzer nicht mehr ausnutzen. Da endete die monetäre Zweiteilung und es kam es zur »Versöhnung« der inkompatiblen Verwandten. Vor dem Mauerfall hatte es einen offiziellen Umrechnungskurs der Währungen von 1:1 gegeben; dagegen lag der Schwarzmarktkurs bei 1:5, was sich als deutlicher Hinweis auf die tatsächliche Schwäche der DDR-Volkswirtschaft lesen ließ. Als ich am ersten Wochenende nach dem Mauerfall Ostberlin besuchte, war der Schwarzmarktkurs der DDR-Mark auf unglaubliche, aber leider realistische 1:19 hochgeschossen. Aus Sicht der Wechselstuben in Westberlin war das natürlich der offizielle Kurs - als »schwarz« galt er nur den DDR-Behörden, denen sprichwörtlich ihre Felle davonschwammen.
Stellt man rückblickend die beiden Währungen nebeneinander, die schwache DDR-Mark und die teurere D-Mark, so erscheint einem die Verschmelzung der beiden unter diesen Bedingungen
als ökonomisches Unding. Das war es auch. Ich erinnere mich an den Ausspruch des damaligen Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl, der die Währungsunion als »sehr phantastische Idee« bezeichnete, womit er meinte, sie sei der helle Wahnsinn.
Bestätigen lässt sich das mit Zahlen über die tatsächliche Wirtschaftskraft der DDR. 1989 galt die DDR als »neuntgrößte« Volkswirtschaft weltweit, allerdings nur dank getürkter Zahlen, wie sich später herausstellte. 1990 gab es eine Schätzung der Treuhand, wonach durch die Privatisierung der insgesamt knapp 10.000 DDR-Betriebe bis zu 1,2 Billionen D-Mark einzunehmen waren - diese Zahlen basierten auf Informationen der DDR-Behörden. Hinterher stellte sich heraus, dass mit dem Verkauf der Ostbetriebe nicht nur nichts zu verdienen war, sondern für deren Existenzsicherung 240
Weitere Kostenlose Bücher