Rettet unser Geld
schon finden.
KAPITEL VIER
Der deutsche Prägestempel
Der Einführung des Euro ging ein jahrelanges erbittertes Tauziehen der EU-Mitglieder voraus, bei dem die eine Seite, vertreten durch die Franzosen, die künftige Gemeinschaftswährung nach dem Vorbild des Franc gestalten wollte, und die andere, vertreten durch die Deutschen, eine europäische D-Mark im Sinn hatte. Es gab Siege und Niederlagen, die beide Seiten zu gleichen Teilen trafen, doch nachdem die deutsche Seite mit den Maastrichter Verträgen endgültig gewonnen zu haben glaubte, sollte sich, eine Dekade später, die Freude als verfrüht erweisen - in Wahrheit hatte sich 2010, dank griechischer Schützenhilfe, die französische Seite durchgesetzt. Das ist die kürzestmögliche Geschichte des Euro.
Aber eins nach dem anderen: Als 1990 der politische Entschluss gefasst war, eine gemeinsame Währung für die europäischen Staaten einzuführen, wurden fast alle deutschen Politiker von einem mulmigen Gefühl befallen. Die positive Einstellung, die deutsche Bürokraten in Brüssel sowie viele unserer heimischen Unternehmer entwickelt hatten, wurde von einer großen Mehrheit unseres Volkes nicht geteilt, am wenigsten von den Bürgern der neuen Bundesländer, die sich gerade an die neue Währung gewöhnt hatten. Mehr noch, sie hatten sie schätzen gelernt: Für sie bedeutete die D-Mark die konkrete Erfüllung eines Traums, der vor wenigen Jahren noch wie eine Utopie erschienen war.
Die politische Entscheidung, eine europäische Währung einzuführen, hätte in Deutschland zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt getroffen werden können. Doch sie wurde getroffen. Zuerst überlegte man wohl, ob man nicht das Volk befragen sollte, aber das eigenartige Demokratieverständnis der Parteien empfahl, das Volk lieber nicht zu befragen. Man hätte die Verfassung ändern müssen, auch wäre der Euro sonst nicht gekommen, denn zu keiner Zeit hätte es eine Mehrheit gegeben. Es gibt sie auch heute nicht. Nur kurz nach der Einführung des Euro gab es Stimmen, die begeistert waren. Aber die sind mittlerweile auch verstummt. Manchmal erinnert mich das Geschehen um den Euro an das Märchen von Hans im Glück. Der Hans, das sind wir. Und der Goldklumpen, das war unsere D-Mark.
Die Diskussion um die Euro-Einführung lief ähnlich ab wie die anlässlich der Griechenlandhilfe im Frühjahr 2010 - die Deutschen drängten auf Disziplin, die Franzosen auf Generosität. Es gab Befürworter und Skeptiker, zu denen in den 1980er Jahren etwa Edmund Stoiber von der CSU gehörte, der im Zusammenhang mit dem Euro darauf hinwies, dass Länder wie Spanien und Italien als ökonomisch unsichere Kantonisten zu betrachten seien und um Gottes Willen nicht in einen Währungsverbund aufgenommen werden sollten.
Während meiner Zeit für die IBM in Paris ist mir durchaus nicht entgangen, welchen Druck die Franzosen in Richtung europäischer Einigung und gemeinsamer Währung auf die Deutschen ausübten. Man hatte sich im Elysée auch schon einen Namen für die neue Währung ausgedacht. Präsident Giscard d’Estaing legte großen Wert darauf, sie nach einer alten französischen Münze ECU zu nennen, um damit deutlich zu machen, wer dem neuen Geld seinen Stempel aufprägte.
Bemerkenswert fand ich die Reaktion der deutschen Regierung, die diesen Druck nicht thematisieren wollte. Man tat so,
als existierte er nicht. Und der Grund lag auf der Hand: Dass hier überhaupt ein Problem lag, sollte möglichst nicht offen debattiert werden. Völkerfreundschaft sollte herrschen, die berühmte amitié franco-allemande. Dass es hier handfeste Interessenkonflikte gab und einen Partner, der sich die Abschaffung der D-Mark in den Kopf gesetzt hatte - dies bekannt werden zu lassen, war undenkbar. Davor, das spürte ich, hatte man in Bonn horrende Angst.
Dennoch behandelte die Bundesregierung das Problem, die Mehrheit des eigenen Volkes gegen sich zu haben, mit großem Geschick. Wie ein Vater, der seinem Sohn die Tatsache verschweigt, dass er jetzt eine Ohrfeige bekommt, sondern ihn lieber entscheiden lässt, ob er sie auf die linke oder die rechte Backe wünsche, wurde die Frage »Wollen wir die Gemeinschaftswährung oder nicht?« gar nicht aufgeworfen, sondern durch das unterhaltsame Ratespiel ersetzt: »Wer kommt rein und wer nicht?« So lenkte man die Aufmerksamkeit der Menschen darauf, wer das Privileg teilen würde, das ihnen bereits zugestanden war. Man durfte zwar nicht entscheiden, aber man erfuhr, dass andere
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