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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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Politische Union faktisch entkoppelt. Das war der Preis, den die Bundesregierung für die Pariser Zustimmung zur deutschen Einheit zahlen musste.«
    Die bislang unbekannten Tatsachen, die Heinrich August Winkler im August 2010 vor der Öffentlichkeit enthüllte, wurden Ende September in einer Spiegel -Titelgeschichte »Geheimakte Deutschland« bestätigt. Wie auch Peer Steinbrück in seinem Buch Unterm Strich schreibt, gehörte die Preisgabe der D-Mark zu den Konzessionen, »die dazu beitrugen, den Weg zur deutschen Einigung zu ebnen«. Auch wenn Wolfgang Schäuble dem vehement widerspricht - »einen solchen Handel hat es nie gegeben« -, sprechen die im Spiegel veröffentlichten Geheimakten aus dem Auswärtigen Amt eine deutliche Sprache.
    Den Ausgangspunkt bildete, wie immer in der Entwicklung der Gemeinschaft, Frankreichs Inferioritätsgefühl gegenüber der D-Mark. »Was für uns die Atombome ist«, wurde aus dem Elysée-Palast kolportiert, »ist für die Deutschen die D-Mark«. Und die wollte Mitterrand so schnell wie möglich loswerden, das heißt, mit dem schwachen Franc zusammenkoppeln. »Immer drängendere Noten aus dem Elysée-Palast«, so der Spiegel , »erreichen das Bonner Kanzleramt«. Zwar war Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl felsenfest davon überzeugt, dass der Euro erst »frühestens in hundert Jahren« kommen würde, doch unterschätzte er die Entschlossenheit der Franzosen.

    Bei einem Treffen zwischen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Präsident Mitterrand im Elysée redete dieser beschwörend auf den Deutschen ein und knüpfte dabei »sein Ja zur Einheit an deutsche Zugeständnisse bei der Währungsunion«. Deutlicher, so der Spiegel , als in diesem als »geheime Verschlusssache« klassifizierten Protokoll ließ sich das Junktim zwischen Euro und Einheit bislang kaum irgendwo nachlesen. Bei der Einführung des Euro bekannte Genscher dann ganz offen: »Für mich symbolisierte dieser Akt die Einlösung meiner im deutschen Vereinigungsprozess gegebenen Zusagen.«
    Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach, damals hoher Beamter im Kanzleramt, bestätigte: »Zuvor war die deutsche Position, dass die politische Union der Währungsunion vorauszugehen habe. Diese Position hat die deutsche Regierung im Zuge der damaligen Verhandlungen geopfert.« Die Wortwahl verrät, was Pfaffenbach meint: Es ging hier nicht um ein Zugeständnis oder gar ein Tauschgeschäft - Deutschland musste wieder einmal ein einseitiges Opfer bringen, dessen tatsächliche Größe damals noch niemand abschätzen konnte. Ich kenne Pfaffenbach seit den berühmt-berüchtigten Kanzlerrunden, die Helmut Kohl regelmäßig einberief - ich nahm als BDI-Präsident daran teil -, und halte ihn für einen absolut glaubwürdigen Zeitzeugen.
    Wohlweislich ließ Kohl diese fragwürdige Geheimabmachung unter dem Teppich des Kanzleramts verschwinden. Denn just zur selben Zeit, als sie verabredet wurde, sprachen sich, worauf Hans Riehl 1999 in seinem Buch Requiem für eine Währung hinwies, »konstant 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung gegen die Ablösung der D-Mark durch eine einheitliche europäische Währung aus, und nur jedes dritte deutsche Unternehmen wünschte sich die fristgerechte Einführung der europäischen Währungsunion. Allerdings«, so Riehl weiter, »befürworten 77 Prozent der deutschen Führungskräfte die Währungsunion.«

    Das lässt sich erklären. Denn die wachsende Stärke der D-Mark, die dem deutschen Konsumenten so viel Freude bereitete, löste bei der Industrie zunehmend Magengrimmen aus, und nicht nur bei exportorientierten Unternehmen. So wenig der ausländische Kunde bereit oder fähig war, deutsche Spitzenpreise zu bezahlen, so wenig Willen zeigte der deutsche Konsument, ein einheimisches Produkt nur deshalb zu kaufen, weil es einheimisch war. Obwohl die Produkte hier hergestellt waren, mied sie der Kunde, weil er vergleichbare Importware billiger bekommen konnte. Und das ist heute noch so: Der Patriotismus, der sich in den Fußballstadien austobt, endet vor den Einzelhandelsgeschäften. Und da hilft nicht einmal das Auftreten eines sprechenden Schimpansen im Werbefernsehen, der den Kauf deutscher T-Shirts empfiehlt. Der niedrige Preis sticht allemal die nationale Karte.
    Mit zunehmender Globalisierung und zumal als der Eiserne Vorhang fiel, wendete sich das Blatt: Deutsche Hersteller waren nicht länger an ihren Standort gebunden, sondern konnten ihre Produktionsstätten in Länder mit niedrigeren

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