Rettet unser Geld
mit eingebrockt hatte? Immerhin hatte das Land seit seiner Unabhängigkeit 1830 schon fünf Staatsbankrotte erlitten und verbrachte, wie ich dem Handelsblatt entnehme, »die Hälfte seiner Zeit in zahlungsunfähigem Zustand«. An modernen Beispielen fallen mir die DDR ein, die durch die Wiedervereinigung um die Erklärung des Staatsbankrotts gerade noch herumgekommen war, und Argentinien, das im Jahr 2002 Anleihen von 80 Milliarden Dollar nicht mehr bedienen konnte und seitdem die durch Umschuldung entstandenen Verpflichtungen abstottert.
Mit anderen Worten: Merkels Behauptung, die Auslösung der griechischen Schulden sei »alternativlos«, war falsch; ich würde diese Formulierung sogar zum »Unwort des Jahres« vorschlagen. Von einem Staatsbankrott, das hat sich historisch gezeigt, geht die Welt nicht unter und auch nicht das betroffene Land. Der merkelschen Behauptung stellten die Ökonomieprofessoren Johann Eekhoff und Lars P. Feld sowie der Ex-Landeszentralbankchef von Sachsen und Thüringen, Olaf Sievert, in der FAZ unter der Überschrift »Neuen Schuldenargumenten kein Ohr leihen« die tatsächlichen Alternativen gegenüber: Entweder akzeptiert man einen »Staatsbankrott« des überschuldeten Landes - oder man bekommt eine »gemeinschaftliche Inflation«. Bei Letzterem schauen alle in die Röhre, bei Ersterem allein die Gläubiger, die nur einen Teil ihres Geldes zurückbekommen. Genau so wäre es im Fall Griechenland auch gewesen.
Auch Charles B. Blankart und Erik R. Fasten von der Humboldt-Universität in Berlin warnten dringend vor der merkelschen »Alternativlosigkeit« des Rettungspakets mit seinem deutschem Löwenanteil von 22,4 Milliarden Euro. »Die Griechenland-Misere wird kaum durch Einsparmaßnahmen zu beheben
sein«, so die beiden Volkswirtschaftler; dagegen liegt »der Vorteil des Insolvenzverfahrens«, also eines Bankrotts, »auf der Hand. Vergleichbare Fälle im Ausland zeigen, dass solche Sanierungen einen Bruchteil dessen kosten, was heute von den Euro-Staaten dafür veranschlagt wird«. Nur die Gläubigerbanken würden dann zur Kasse gebeten, aber schließlich haben die sich zuvor auch ins Risiko begeben. Wie der Spiegel schon im März 2010 schrieb, konnten die Banken sich im Zuge der Finanzkrise immer billiger Geld von der EZB leihen - am Schluss für ganze 1 Prozent -, für das sie griechische Anleihen mit über 5 Prozent Verzinsung einkauften, was einer »Lizenz zum Gelddrucken« nahekam.
Nicht überrascht war ich über die Nachricht, dass es sich bei den Gläubigern größtenteils um französische Banken handelte, die um ihre Kredite fürchteten. Entsprechend waren es beim Rettungsbeschluss auch weniger die Deutschen, die auf Vertragsbruch aus »Solidarität« drängten, als die Franzosen, die sich scheinbar für die Griechen, in Wahrheit aber für ihre eigenen Landsleute ins Zeug legten. Und wer hätte da widerstehen können?
Die Deutschen hätten widerstehen können. Als Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf dem Höhepunkt der Krise vollmundig verkündete: »Wir werden den Euro um jeden Preis schützen«, hätten sie die Frage stellen können: Warum eigentlich? Vor allem: Wer zahlt den Preis? Und sie hätten begreifen müssen, dass nicht nur in dieser Krise die Gemeinschaft durch eine Achse Frankreich-Deutschland dominiert wurde, allerdings eindeutig zulasten Deutschlands. Denn, wie ifo-Chef Hans-Werner Sinn feststellte: »Nicht der Euro, sondern das französische Bankensystem war in Gefahr.« Eingeräumt sei, dass auch deutsche Banken wie die Commerzbank oder die Deutsche Bank, die ebenfalls griechische Anleihen gezeichnet
hatten, bei Merkel Druck ausübten, um das Paket geschnürt zu bekommen. Doch waren es weit weniger als auf der französischen Seite - dafür hat der deutsche Steuerzahler weit mehr zu zahlen als der französische.
Dreierlei steht für mich fest: Der griechische Staatsbankrott wäre die Deutschen viel billiger gekommen als der europäische Bail-out . Dieser angeblich so solidarische Akt der Griechenlandhilfe war in Wahrheit ein weiterer Freikauf überschuldeter Banken. Und deutsche Milliarden, die scheinbar zu den hilferufenden Athenern flossen, wurden klammheimlich in französische Kassen umgeleitet. Hans-Werner Sinn brachte es damals in der Wirtschafts Woche auf den Punkt: »So rettet der deutsche Steuerzahler indirekt französische Banken.«
Die verhängnisvollste Folge des abgewendeten Bankrotts wurde vorerst nicht einmal angesprochen: Wenn man
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