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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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»Wer hat das größte Herz für die kleinen Leute?« möchte jede Partei den Sieg davontragen. Nichts anderes geschah in Athen. Gesponsert durch die Solidität des Euro, brach Wohltätigkeit ohne Ende aus.

    Dem Entgegenkommen, das man den Lohnempfängern und sozial Schwachen zeigte, entsprach die Nachsicht gegenüber den Steuerzahlern. Der griechische Staat, offenbar auf beiden Augen blind, behandelte die Steuererklärungen seiner Bürger mit derselben zarten Rücksicht wie Brüssel die griechischen Statistiken. Wer Athen besucht - als IBM-Chef war ich des Öfteren auch beruflich dort -, wird bemerken, wieviele Gutbetuchte dort leben, die aus ihrem üppigen Wohlstand kein Hehl machen. Man findet dort ebenso viele Mercedes und BMW wie etwa in Hamburg oder London. Als das Finanzministerium die Reichenvororte per Luftfotografie evaluierte, stellte sich heraus, dass es dort statt der in den Erklärungen angegeben 324 privaten Swimmingpools rund 17000 gab.
    Laut Welt am Sonntag werden die alljährlich in Hellas hinterzogenen Steuern auf 10 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung geschätzt, das sind 25 Milliarden Euro. Ein Grund für diese erfolgreiche Praxis dürfte laut WamS darin liegen, dass »hohe Beamte und Funktionäre an der Steuerhinterziehung kräftig mitverdienen«. Das gilt auch für die »unzähligen Scheinfirmen«, mit deren Hilfe fiktive Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt werden. Viele dieser Briefkastenfirmen »gehörten hohen Finanzbeamten oder Funktionären der Parteien. Sie haben kein Interesse daran, dass sich das System ändert«.
    Zusammen mit der Drachme war man in Griechenland den Zwang zu jeglicher Zurückhaltung losgeworden. Man konnte mit der Hartwährung auftrumpfen, und wo es an Geld fehlte, lieh man sich billige Euros von netten Bankern in Paris und Frankfurt. Eine ähnliche Unbekümmertheit zog auch bei den anderen Euro-Profiteuren ein, die ihren portugiesischen Escudo, ihre spanische Pesete, ihre italienische Lira oder ihr irisches Pfund gegen eine weitaus bessere Währung eingetauscht hatten. Allerdings bestand der wesentliche Unterschied, dass bei
den griechischen Politikern zusätzlich eine gewisse, sagen wir es ruhig: kriminelle Energie am Werk war, um die sich anbahnende Katastrophe vor jenen, die davon betroffen sein würden, zu vertuschen - wobei jene natürlich Mitschuld tragen, die sich diese Vertuschung sehenden Auges gefallen ließen.
    Vermutlich wäre das ganze Ausmaß der Athener Tricksereien bis heute nicht aufgefallen, wenn es nicht 2007 zur großen Immobilien- und Bankenkrise gekommen wäre. Ausgelöst durch faule subprime -Kredite in den USA und deren Weiterverkauf in getürkten Schrottpapieren, zum Beispiel den notorischen asset backed securities , drohte dem weltweiten Finanzsystem ein Kollaps, der nur durch große Mengen an Steuergeldern verhindert werden konnte - Schätzungen zufolge dürften die Deutschen mit rund fünfzig Milliarden Euro zur Kasse gebeten werden, nicht gerechnet die noch viel größeren Bürgschaften, die in die Hunderte Milliarden gehen. Es war der größte Schock, der die deutsche Wirtschaft seit Jahrzehnten getroffen hatte, und die Nachbeben sind noch lange nicht vorüber - ich erwähnte bereits die Vierzig-Milliarden-Bürgschaft für die Hypo Real Estate vom September 2010, die erahnen lässt, was noch auf uns zukommen könnte.
    Als man das Gröbste überstanden zu haben glaubte und sich sozusagen den Schweiß von der Stirn wischte, klopfte Athen an die Brüsseler Tür. Die Griechen hatte man schon deshalb nicht auf der Rechnung gehabt, weil sie auf der europäischen Wirtschaftsrangliste nur als Zwerg rangierten. Wie sich zeigte, können auch Zwerge Riesenschulden machen - und diese, gerade weil sie selbst so winzig sind, auch perfekt vertuschen.
    Das Klopfen der Griechen war ein Notruf: Man sei überschuldet, brauche dringend flüssiges Geld. Für diesen Fall gibt es im Maastricht-Vertrag eigentlich den Artikel 125 mit der No-Bail-out -Klausel: Schulden, die ein Mitgliedsstaat macht,
müssen nicht von anderen Staaten übernommen werden. Das war Gesetz, und die Ablehnung des griechischen Ansinnens, nun mit frischen europäischen Krediten ausgelöst zu werden, hätte keines Nachdenkens bedurft. Übrigens hat Angela Merkel spontan richtig reagiert, indem sie öffentlich vorschlug, Griechenland solle den Euro-Verbund verlassen. Jedoch stellte sich schnell heraus, dass dies - was die Kanzlerin offenbar nicht wusste - nach Vertragslage gar

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