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Rettet unser Geld

Rettet unser Geld

Titel: Rettet unser Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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nicht möglich war. Wenn ein Land dies nicht selbst verlangt, kann es auch nicht dazu gezwungen werden - ja selbst, wenn es dies wollte und ein anderes Mitglied ein Veto einlegte, müsste es im Verbund bleiben. Offenbar wollte man, als diese Regelung vereinbart wurde, die europäische Einheit haben, und zwar »auf Teufel komm raus«.
    Nach Merkels auf Unkenntnis beruhendem Vorschlag, die Griechen wieder in die Unabhängigkeit zu entlassen, war tatsächlich der Teufel los: Die Europäer warfen ihr Nationalegoismus und Europafeindlichkeit vor, die deutsche Opposition lief Sturm gegen ihre »mangelnde Solidarität« - und beide zusammen machten die Kanzlerin für die Verschlimmerung der Krise verantwortlich, da sich mit jedem Tag die finanzielle Situation der Griechen weiter verschlechterte. Dass gleichzeitig der Euro-Kurs sank, trug ebenfalls zur Dramatik bei.
    Immerhin führte Merkels Zögern dazu, dass Griechenland sich zum ersten Mal nach dem Krieg zu Maßnahmen durchringen musste, den Staatshaushalt wieder in den Griff zu bekommen - ob diese langfristig von Erfolg sein werden, darf bezweifelt werden. Ich persönlich glaube es nicht, zumal an den ersten begeisterten Sparbeschlüssen bereits Abstriche vorgenommen wurden und erneut nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde.
    Dasselbe gilt für das ganze Rettungspaket, dessen ungeheures Volumen seltsam mit der Hast kontrastiert, mit der man es geschnürt
hat. Auch die eigentlichen Hüter der Maastricht-Verträge ließen sich damals von der allgemeinen, durch Präsident Sarkozy angeheizten Hektik anstecken. Besonders gewundert habe ich mich, dass ausgerechnet Jean-Claude Trichet, als EZB-Chef zur Wahrung der Verträge verpflichtet, schnelle Zahlung empfahl und die Klausel sogar mit einem spitzfindigen Argument relativierte.
    Im Juni 2010 erklärte Trichet der Welt , er begreife nicht, wie die Deutschen überhaupt Probleme mit diesem Passus haben können. »Die No-Bail-out-Klausel heißt«, so der oberste Währungshüter, »dass es keine Verpflichtung zu Subventionen und Transfers gibt. Aber sie heißt nicht, dass in außergewöhnlichen Umständen ein Land einem anderen Land keinen Beistand gewähren kann.«
    Mit Verlaub, das ist ungefähr so, wie wenn ein Verschwender und ein Sparsamer gemeinsam auf die Kirmes gehen, wobei der Sparsame nur unter der Bedingung mitkommt, dass keiner dem anderen im Notfall mit Geld aushelfen muss. Der Notfall ist schnell da, der Verschwender hat alles ausgegeben und braucht dringend frisches Geld. Als der Sparer auf ihre Übereinkunft verweist, trumpft der Verschwender auf: »Diese Abmachung besagt lediglich, dass du mir nicht helfen musst . Sie sagt nicht, dass du mir nicht helfen darfst .«
    Übrigens war es nicht nur Griechenland, das an die Tür der Europäer klopfte, sondern auch umgekehrt kündigte sich Besuch an. Schon im Vorjahr hatte die Aufsichtsbehörde Eurostat entdeckt, dass es in Athen dauerhaft nicht mit rechten Dingen zuging. 2009 wurde ein neuerliches Defizitverfahren eingeleitet, nachdem es zwei Jahre zuvor vorübergehend eingestellt worden war, und es zeigte sich, dass die griechischen Behörden wieder das Blaue vom Himmel heruntergelogen hatten. Die griechische Staatsbank, die wusste, wovon sie sprach, hielt im Oktober
2009 ein Defizit von über 12 Prozent für möglich, und selbst das war noch untertrieben. Die Lawine kam ins Rutschen.
    Damals meldete sich einer der Architekten der europäischen Geldpolitik warnend zu Wort. Der Euro-Spezialist Otmar Issing war von 1998 bis 2006 Chefvolkswirt der EZB gewesen - und damit der Vorgänger von Jürgen Kraft - und hatte schon früh auf die Risiken aufmerksam gemacht, die sich aus der reflexhaften »Solidarität mit Griechenland«-Parole ergaben. Seiner Überzeugung nach musste das Land seine Krise ohne Hilfe der EU-Partner lösen, denn jeder Staat der Gemeinschaft »ist für seine Schulden selbst verantwortlich«.
    Lange Jahre, so Issing, hatte Athen mehr Vorteile aus der Euro-Gemeinschaft gezogen als andere Länder und sich doch nicht gescheut, das entgegengebrachte Vertrauen zu enttäuschen. Und ausgerechnet für dieses Land, das zu Betrügereien Zuflucht nahm, damit die europäischen Geldströme nicht versiegten, sollte man die Stabilität des ganzen Baus aufs Spiel setzen? »Ist die No-Bail-out-Klausel erst einmal verletzt«, warnte Issing in der FAZ , »brechen alle Dämme«. Die Folge: »Die griechische Krankheit breitet sich aus.«
    Während es 2010 mit dem

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