Rettet unser Geld
Hypothekenzinsen sich gleichsam von selbst bezahlten, nämlich durch den steigenden Wert des Hauses. Die Immobilienblase wuchs wie eine Gewitterwolke. Zwischen Ende der 90er Jahre und 2006 stiegen die Hauspreise um 125 Prozent, und selbst jene, die sich eigentlich gar kein Eigenheim leisten konnten, fühlten sich plötzlich reich und nahmen nach dem Motto »Dein Haus ist deine Bank« auch noch Kredite auf gepumpte Immobilien auf.
»Every American should live under his own roof!«, lautete das Heilsversprechen von Jimmy Carter über Bill Clinton bis hin zu George W. Bush. Mein erstes amerikanisches Haus kaufte ich 1978 am Orchard Drive in Greenwich Connecticut für 210 000 Dollar und verkaufte es 20 Monate später für 230000 Dollar. 2006, kurz vor der Krise, war es laut Zillow , einem beliebten US-Immobilienportal, 3 Millionen Dollar Wert, heute noch 2 Millionen Dollar.
Wie es das Schicksal aller Blasen ist, platzte auch die Immobilienblase. Sie explodierte förmlich und flog erst den Amerikanern, dann der ganzen Welt um die Ohren. Als Auslöser wirkten sich die wieder sinkenden Immobilienpreise und die erhöhten Hypothekenzinsen aus, die von den meisten Kreditnehmern nicht mehr bezahlt werden konnten: 2007 wurden 2,2 Millionen Häuser zwangsversteigert, 2008 stieg die Zahl auf 3,2 Millionen, und 2009 erreichte man den Höhepunkt der Krise mit vier Millionen Eigenheimen, aus denen ihre vordem stolzen Besitzer vertrieben wurden, weil sie über ihre Verhältnisse gewohnt hatten.
Ich schildere das so detailliert, weil die Schockwellen dieser scheinbar inneramerikanischen Katastrophe, deren trauriges Fanal der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 bildete, sich sogleich nach Europa ausbreiteten.
Unsere Bankenwelt begann zu zittern und zu beben. Und warum? Nun, die amerikanischen Finanzinstitute hatten nicht vorgehabt, das Risiko der wackligen Hausdarlehen allein zu tragen, sondern es auf die ganze Welt, vor allem aber Europa und hier mit Vorliebe Deutschland verteilt. Sie verpackten die zweifelhaften Forderungen der Banken einfach in zinsbringende Verbriefungen, die sie keck securities , also Sicherheiten, nannten. Ihre europäischen Kollegen, die sich mit hohen Zinsversprechen ködern ließen, griffen zu wie Verdurstende nach frischem Wasser. So holten die Amerikaner auf schlaue, man könnte auch sagen: betrügerische Weise das Geld wieder herein, das sie durch ihre klammen Schuldner zu verlieren im Begriff waren.
Auch bei der Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB, deren Präsidium ich als BDI-Präsident von 1996 bis 2004 angehört hatte, wurden die Wall-Street-Leute vorstellig. Obwohl ich alle meine Ämter lange vor Ausbruch der Krise unter, wie man so schön sagt, »Absingen schmutziger Lieder« niedergelegt hatte, zitierte mich das Düsseldorfer Landgericht als Zeuge im Prozess gegen den späteren Vorstandsvorsitzenden Stefan Ortseifen.
In Die Abwracker beschrieb ich - ohne dabei an einen konkreten Fall zu denken - jene schneidigen Investmentbanker aus Amerika, deren Musterkoffer, beklebt mit den Edeletiketten von Lehmann Brothers oder Goldman Sachs, unsere biederen IKB-Manager ins Träumen brachten. Angesichts der Chance auf Rendite ohne Risiko ließen sie alle Hemmungen fallen, und die deutschen Milliarden flossen, wohin die Amerikaner sie haben wollten. Ich freute mich darauf, in dem Prozess auf die verhängnisvolle Verlängerung der Gewährträgerhaftung durch Peer Steinbrücks Ministerium hinzuweisen, ohne die weder die IKB noch die zahlreichen anderen staatlich kontrollierten Landesbanken in Versuchung gekommen wären, sich derart mit »toxischen Papieren« vollzusaugen.
Ich wollte mithelfen, Ortseifen durch den Hinweis zu entlasten, dass Steinbrücks Staatssekretär - im Gegensatz zu mir - bis zuletzt im Aufsichtsrat der IKB geblieben war. Allein, die Richterin interessierte sich nur für die Frage, ob das Präsidium dem damaligen Vorstandsvorsitzenden 15 Jahre vorher ein Firmenhaus zur privaten Nutzung genehmigt hatte. Der damit verbundene Vorwurf gegenüber dem vor Gericht sitzenden IKB-Chef wurde fallen gelassen.
Überhaupt ließ man damals bei uns viel auf sich beruhen. Im Gegensatz dazu hat das ebenfalls von der Krise schwer betroffene Island sich dazu aufgerafft, eine unabhängige Untersuchungskommission einzusetzen, die nach den Verantwortlichen im eigenen Land suchte. Neben Fehlern, die von Bankern begangen wurden, warf die Kommission vor allem heimischen
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