Rettet unser Geld
Wirtschaftsministerin Christine Lagarde - am Pokertisch geblieben, hatte er sich doch vorgenommen, die Deutschen endlich aufs Kreuz zu legen.
Während die deutsche Spielerin eine vergangene Niederlage feierte und damit eine zukünftige besiegelte, kam es zu einer weiteren, wieder muss ich sagen, beklemmenden Symbolik: Wolfgang Schäuble, der deutsche Verhandlungsführer, erlitt vor Verhandlungsbeginn einen Schwächeanfall und musste ins Krankenhaus. Eben das geschah danach auch im europäischen Spielsalon: ein deutscher Schwächeanfall. Am Tisch, wo unsere Chips ganz schnell den Besitzer wechselten, war der Platz des deutschen Finanzministers unbesetzt, die deutsche Delegation, wie Hans-Werner Sinn formulierte, »kopflos«. Erst Stunden später traf mit Innenminister Thomas de Maizière ein fragwürdiger Ersatzmann ein. Zu retten war da schon nichts mehr. Seine Parole, es gelte, »Ruhe in den Karton zu bringen«, haben er und die anderen Deutschen allzu wörtlich genommen - sie hielten still.
Ein drittes fatales Vorkommnis bildete den Schlusspunkt dieser deutschen Katastrophe, die kaum einem aufzufallen schien: Nur Tage, nachdem Bundespräsident Horst Köhler das Ergebnis
der fatalen Pokerpartie durch seine Unterschrift für alle Zeiten festgeschrieben hatte, trat er von seinem Amt zurück. Die lieben Deutschen schauten einander fragend an, sie wussten nicht, was ihnen da widerfahren war. Ich fürchte, sie haben bis heute noch nicht gemerkt, dass es an jenem Maitag 2010 in Brüssel zu einem Putsch gegen herrschendes Recht, einer Untreue gegen den deutschen Staat und einem finanziellen Betrug am deutschen Steuerzahler gekommen war. Und kaum einem ist aufgefallen, dass all dies außerdem noch zur Beschädigung des Bundespräsidentenamtes geführt hat.
Unvergesslich ist mir geblieben, wie sich innerhalb einer Woche, nämlich zwischen dem 2. und dem 9. Mai 2010, die von Europa zu zahlende - und von Deutschland zum erheblichen Teil aufzubringende - Summe von 110 Milliarden Euro auf 750 Milliarden Euro erhöht hatte. Eine solche Kostenexplosion hatte man nie zuvor erlebt, und dies, ohne dass sich zwischen den beiden Terminen wesentliche Parameter geändert hätten. Alles, was zu dieser Vervielfachung führte, hatte man schon vorher gewusst: dass irgendwann nach Griechenland auch Portugal und Irland, Spanien und Italien um Hilfe schreien konnten, womöglich sogar Frankreich. Ich sage, irgendwann, denn gewiss war es nicht. Aber für gewiss konnte man halten, dass sich mit der Bereitstellung dieser Summe als Rettungsschirm die Wahrscheinlichkeit eines solchen Hilferufs erheblich erhöht hatte. Oder hat es je einen offenen Topf gegeben, der nicht schnell Hände gefunden hätte, die ihn leerten?
Eindeutig lässt sich schon jetzt rekonstruieren, dass im selben Augenblick, in dem die griechische Hilfe festgelegt wurde, der Euro abgesackt ist. Statt zu steigen, wie man hätte erwarten können, fiel er. Der Dollar hatte keinen Grund, gegenüber dem Euro Boden gutzumachen, aber der Euro hatte gegenüber dem Dollar an Boden verloren. Mit anderen Worten, die 110 Milliarden
des ersten Pakets hatten Griechenland geholfen, dem Euro aber geschadet, ganz einfach, weil sie dessen Stabilität aushöhlten. Die Märkte haben das Griechenlandpaket als Destabilisierung des Euro empfunden, und sie lagen richtig damit. Auch wenn der Euro-Kurs heute noch weit über dem zur Zeit seiner Einführung liegt, spricht die Entwicklung des Wechselkurses nach der Griechenlandkrise eine eindeutige Sprache.
Und dann kam das Brüsseler Wochenende vom 7. bis 9. Mai - und alles wurde um ein Vielfaches schlimmer. Wir erinnern uns an die vorausgegangene Kampfansage der Hedgefonds, an den kurzfristigen Absturz des Dow Jones vom 6. Mai, an die beschwörenden Telefonate Barack Obamas, der auf »entschlossene Schritte« der Europäer drängte, und auch an die Gerüchte, die von einer noch größeren, geradezu vernichtenden Attacke gegen den Euro sprachen, die unmittelbar bevorstehen sollte. Gerüchte waren es also hauptsächlich, die den in Brüssel versammelten Staatsmännern und -frauen die Angst einjagten, es könne, wie nach der Lehman-Pleite, zu einem plötzlichen Dominoeffekt der Euro-Staaten kommen.
Der Herr der Gerüchte scheint, wen wundert es, Frankreichs Staatspräsident gewesen zu sein. Im Vorfeld hatte er außerdem durch gezielt gestreute Informationen die Befürchtung verbreitet, Angela Merkel plane insgeheim une Europe germanique , womit er seine
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