Rettet unser Geld
massive Attacke auf den Euro, der zu dessen Kollaps führen könne, stünde unmittelbar bevor. Deshalb war Panik in Brüssel ausgebrochen, und nur weil, laut FAZ , die »nackte Angst« umging, stimmte man den Vorschlägen zu. Selbst Angela Merkel, die Verkünderin der »Alternativlosigkeit«, beteuerte: »Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.«
All das war, wie sich im Rückblick zeigt, eine Blase gewesen, ein Hype, eine künstlich gezüchtete Hysterie, der die einen ebenso zum Opfer fielen, wie die anderen von ihr profitierten. In seiner Denkschrift zur Rettung der Gemeinschaft belegte Hans-Werner Sinn, was heute die Spatzen von den Brüsseler Dächern pfeifen: dass die »nackte Angst« unbegründet war und die Schlüsse, die man daraus zog, falsch.
Wie sich an der Bewegung der Währung in den entscheidenden Tagen ablesen lässt, hat - trotz der »Verschwörung« der Hedgefonds - zu keiner Zeit eine ernste Bedrohung des Euro bestanden. Sollte eine Gefahr existiert haben, so Hans-Werner Sinn weiter, dann wegen Sarkozys und Trichets offizieller Bekanntgabe, dass der Euro von einer »systemischen Krise« erfasst sei. Man hat den Teufel an die Wand gemalt, und alle haben das große Zittern bekommen.
Auch dieses Vorgehen fällt in den Bereich der self-fulfilling prophecy : Indem die Franzosen die Gefahr beschworen, ist sie, zumindest für diesen Augenblick, eingetreten. Das trieb den entscheidenden Schwall heißer Luft in die Blase, deren Entstehung Sarkozy sich zusammen mit anderen südeuropäischen Staaten vorgenommen hatte. So kam es, dass Frankreich zur Erreichung seines Ziels - wir erinnern uns an die französischen Banken mit ihren Schrottpapieren - den Deutschen förmlich »den Arm herumgedreht hat« (Hans-Werner Sinn), worauf diese allerdings auch eine »erbärmliche Reaktion« zeigten: Sie wehrten sich nicht, sondern ließen sich »alles gefallen«. Das war’s denn auch gewesen. Sobald das Paket geschnürt, der Schutzschirm in trockenen Tüchern war, schien das Gespenst des Euro-Zusammenbruchs wie weggblasen. Auch von den Hedgefonds war nichts mehr zu hören.
Die andere Frage, die vor lauter Aufregung über diese Überrumpelung kaum einem eingefallen ist, lautete: Was hätte eigentlich auf einen solch eklatanten Vertragsbruch wie die Abschaffung der No-Bail-out -Klausel und die Einführung des Schutzschirms folgen müssen? Das natürliche Rechtsempfinden fordert, dass eine Übertretung geahndet, dass ein Vergehen bestraft wird.
Wenn etwa ein Kaufvertrag gebrochen wird, gibt es verschiedene Wege der Wiedergutmachung, die juristisch exakt vorgeschrieben
sind. Während meines Studiums in Hamburg erfuhr ich bei Professor Eberhard Witte, einem einflussreichen und ebenso einprägsam wie anschaulich lehrenden Betriebswirtschaftler, was zu geschehen hatte, wenn eine bestellte Ware nicht den Erwartungen entsprach. Dann kam es, wie Witte uns erklärte, zu Waminascha . »Wie bitte?« fragten wir unisono. Mit diesem Wort, so gab er zur Antwort, würden die vier Alternativen ausgedrückt, die dem Konsumenten offenstanden: Wa stand für »Wandlung«, das heißt, man konnte den Kaufvertrag rückgängig machen; mi bedeutete, dass man eine »Minderung« des Preises in Anspruch nahm. Hinter dem na verbarg sich die Möglichkeit einer »Nachlieferung«, wobei anstelle der reklamierten Ware eine neue geliefert wurde, die den Erwartungen des Käufers entsprach. Und scha hieß »Schadenersatz«, falls durch die fehlerhafte Ware bereits ein Schaden eingetreten war. Dies gehört zur ständigen Praxis in der deutschen Wirtschaft und lässt sich, wenn nötig, vor Gericht klären - ob es sich um einen Traktor handelt oder eine Urlaubsreise, bei der sich der versprochene Meerblick als Hinterhof entpuppte: Immer tritt die Zauberformel Waminascha in Kraft.
Beim unendlich wichtigeren Thema Euro und Europäische Gemeinschaft gab es kein Waminascha. Der Euro, der den Deutschen in den 90er Jahren zu bestimmten Bedingungen »verkauft« worden war, hatte sich für sie als eine trügerische, Milliarden verschlingende Konstruktion erwiesen. Sein Wert hatte sich durch offenen Vertragsbruch gemindert, aber weder an Schadenersatz, Wandlung noch eine sonstige Kompensation war zu denken. Auch ist niemand zu Gericht gegangen und hat geklagt. Ein paar besorgte Volkswirtschaftler um den emeritierten Tübinger Professor Joachim Starbatty sind beim Bundesverfassungsgericht vorstellig geworden und wurden abgeschmettert, wie ich es nicht anders
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