Rettet unser Geld
Duzfreundin offenbar mit Adolf Hitler verwechselt hatte. Auch um diesem urdeutschen Anspruch entgegenzutreten, so der Franzose, sei eine Wirtschaftsregierung der sechzehn Euro-Staaten, die praktischerweise in Paris beheimatet sein sollte, unverzichtbar.
Es kam der 7. Mai, der erste Abend der Entscheidung. In der ihm eigenen nervösen Umtriebigkeit, die etwas Erratisches, geradezu Irrationales hat, eilte »Sarko« zwischen den Entscheidungsträgern
hin und her, um sie durchzukneten. Er sprach offen von einer bevorstehenden »spekulativen Attacke auf den Euro« und konnte dabei auf Obama verweisen, der sich neben ihm und Angela Merkel auch andere Europäer zur Brust genommen hatte, um ihnen die Notwendigkeit eines europäischen Schutzschirms nahezubringen. Die Frage, ob sich ausgerechnet der amerikanische Präsident mit seiner Weltrekordverschuldung zum idealen Verteidiger europäischer Geldwertstabilität eignete, wurde nicht gestellt. Man war einfach zu nervös, um auf die Vernunft zu hören.
Die Franzosen arbeiteten an jenem Wochenende mit verteilten Rollen. Hatte Sarkozy am Freitagabend, laut FAZ , »in bilateralen Gesprächen den Boden für ein solches Paket bereitet«, so übernahm am Folgetag ein Mann das Plädoyer, der jenseits nationalistischen Verdachts zu stehen pflegte: der EZB-Chef Jean-Claude Trichet. Mit Nachdruck und der ihm eigenen sanften Eloquenz schilderte er den Staatsführern, dass es sich nicht um eine Griechenlandkrise, sondern bereits eine »systemische« Krise handelte, dass also ein allumfassender Schaden im europäischen Haus entweder bereits eingetreten war oder bevorstand. Es konnte, suggerierte Trichet, so ähnlich kommen wie im Fall des Lehman-Kollapses. Pericula in mora , hieß es im alten Rom, wenn der Feind kam, »Gefahr im Verzug«. So lautete Trichets eindeutige Botschaft, die von Bundesbankpräsident Weber, der gern sein Nachfolger werden möchte, inhaltlich voll geteilt wurde.
Auch von einem kleinen, aber feinen Erpressungsversuch ist zu berichten. Vorausgeschickt sei, dass Nicolas Sarkozy, der sich für einen zweiten Napoleon zu halten scheint, zwar als Pokerspieler Triumphe feiert, als Politiker aber Angela Merkel nicht das Wasser reichen kann. Sie ist beständiger und substanzieller, durchdringt Probleme auf analytische Art, während er
spontanen Eingebungen folgt, auch wenn sie falsch sind. Sie besitzt, kurz gesagt, einen längeren Atem. Ihr Problem liegt, ebenso knapp gesagt, darin, dass ihr Atem manchmal einfach zu lang ist, will sagen: dass sie sich nicht rechtzeitig entscheiden kann. Das passiert Sarkozy schon deshalb nicht, weil er sich zu entscheiden scheint, noch bevor er lange nachgedacht hat. Mir kommt er vor wie ein hakenschlagender Hase, der nach Belieben über die Felder fegt und nirgends zu greifen ist. Im Vergleich ist mir die langsame Kanzlerin lieber.
Vielleicht aufgrund dieser unterschiedlichen Temperamente hat das deutsch-französische Verhältnis seit einiger Zeit an Intimität verloren, woran ich nichts Falsches finde. Ich habe mich immer gefragt, warum überhaupt Europa seit den Tagen Adenauers und de Gaulles von diesem »Ehepaar« geführt werden musste, wobei man oft nicht einmal wusste, wer den Mann abgab und wer die Frau, und warum die anderen Länder, selbst Großbritannien, das auch noch akzeptiert haben.
Dass sich in der Beziehung Sarkozy-Merkel der Franzose als dominierend hervorgetan hat, ja geradezu vorgeprescht ist, kam möglicherweise dem vorsichtig tastenden Wesen Angela Merkels entgegen. So konnte sie die Fehler, die dieser Springinsfeld beging, nachträglich souverän korrigieren. Leider brachte diese Art von Aufgabenteilung im Fall der europäischen Macht- und Kostenverteilung großen Schaden. Der dominante Präsident beanspruchte plötzlich auch die Macht über die »Aussteuer« der Kanzlerin, die er sich nach Art eines trickreichen Heiratsschwindlers sicherte.
Wie einst Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Jacques Delors »alle Register der Verhandlungstaktik und -dramaturgie gezogen« (Hans Tietmeyer) und dabei mit Rückzug aus der Gemeinschaft gedroht hatte - mit durchschlagendem Erfolg bei den konfrontationsscheuen Deutschen -, so spielte
nun auch Sarkozy mit dieser Karte, nur zum Bluff natürlich, wie es im Pokern üblich ist. Es war sein spanischer Kollege José Louis Zapatero, der hinterher der Presse steckte, Sarkozy habe damit gedroht, Frankreich aus dem Euro-Raum zu nehmen und die französisch-deutsche Allianz
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