Rettet unser Geld
aufzukündigen, wenn Deutschland nicht bereit wäre, seinen Geldbeutel aufzumachen.
In dieser Drohung spiegelt sich die ganze Absurdität seines, wie man allerdings zugeben muss, durchschlagend erfolgreichen Auftritts. Wie weit ist es mit Deutschland gekommen, fragte ich mich damals, dass unsere Politiker sich schon unter Druck gesetzt fühlen, wenn ein französischer Präsident damit droht, sein eigenes Land aus der Währungsunion zurückzuziehen? Spätestens in diesem Augenblick hätte Frau Merkel - oder wer immer für uns am Tisch saß und beim Spektakel zuschaute - laut und deutlich sagen müssen: Moment mal, wenn hier jemand diesen Trumpf in der Hand hält, dann wir. Das ist natürlich nicht erfolgt.
Nun kann ich zwar nachvollziehen, dass unsere Politiker nicht den Mut aufbrachten, einem Zerfall der Euro-Gemeinschaft zuzustimmen - wobei es doch eher die Frage war, ob die Franzosen die Courage dazu besaßen -; doch bleibt mir unverständlich, warum wir nicht im Gegenzug die Karte einer Wiedereinführung der D-Mark ausgespielt haben, die bekanntlich zu den historischen Schreckgespenstern des modernen Frankreich gehört. Diese Drohung hätte Wirkung gezeigt - dagegen war Sarkozys Ankündigung, den Franc wieder auferstehen zu lassen, ein schlechter Witz. Doch leider auch ein guter Bluff.
Schon am Samstagabend stand mehr oder weniger der Beschluss fest, zur Abwehr dieser alles bedrohenden Gefahr, dieser neuerlichen Finanzkatastrophe, dieses spekulativen Tsunami einen europäischen Schutzschirm aufzuspannen, bei dem
geklotzt, nicht gekleckert werden sollte, und der schließlich am Sonntag festgeklopft werden musste, denn wenn am Montagmorgen, genauer gesagt: um 2:00 Uhr Brüsseler Zeit, die asiatischen Börsen öffneten, konnte es schon zu spät sein und der Kollaps der europäischen Herrlichkeit eintreten. Das war die Botschaft. Dass sie exakt den Interessen Nicolas Sarkozys entsprach, erschließt sich aus dem Umstand, dass er noch am Abend »triumphierend« verkündete, die Notbeschlüsse, die Europa gleichsam vor den asiatisch-amerikanischen Finanzhorden schützten, gingen »zu 95 Prozent« auf französische, sprich: seine Vorstellungen zurück.
»Die Kanzlerin sagt fast nichts«, registrierte die FAZ lapidar. »Früher von ihr vertretene Prinzipien einer auf Stabilität gegründeten Währungsunion werden geopfert.« Und basta. Aber sie befindet sich ja schon auf dem Absprung zur Moskauer Siegesparade über Deutschland. Während sie vermutlich durchrechnet, wie die rund 150 Milliarden Euro aufzubringen sein werden, die ein Euro-Land im Notfall bei ihr abrufen darf, feiert Nicolas Sarkozy seine persönliche Siegesparade über Angela Merkel.
Einen banalen Grund für den französischen Jubel benannte bald darauf der indisch-amerikanische Star-Ökonom Jagdish Bhagwati von der New Yorker Columbia-Universität: »Die Franzosen geben gern deutsches Geld aus.« Vor allem, so sei hinzugefügt, wenn man es ihnen so leicht macht. Der Schweizer Topmanager und ehemalige IBM-Vice-Chairman, Kaspar Cassani, bemerkte mir gegenüber lakonisch, auch diesmal hätte »einmal mehr Frankreich mit Sarkozy Deutschland übers Ohr gehauen«.
Wie die internationale Presse registrierte, die Merkels bittere Niederlage beschrieb und die Kanzlerin gar als Sarkozys »Pudel« verhöhnte, schonte Nicolas Sarkozy seine Duzfreundin
nicht. Er wollte den Triumph voll auskosten und der Welt zeigen, wer in Europa das Sagen hat. Nur hatte seine Partnerin daraus kaum einen Hehl gemacht: Siegestrunken, doch nicht wie ein Gentleman, taumelte Sarkozy durch eine offene Tür.
Die Revanche folgte vier Monate später: Als Sarkozy wieder einmal im Eilschritt durch Merkels Tür marschieren wollte, und zwar mit der erfundenen Behauptung, auch sie plane die massenhafte Abschiebung von Roma, ließ sie ihn auflaufen. Zum Glück sind auch Kanzlerinnen lernfähig. Nur bringt uns dieser »Sieg« unsere Milliarden nicht mehr zurück.
Zurück zu jener turbulenten Nacht in Brüssel, wo deutsche Hasenfüßigkeit die »Brüskierung« (Hans-Werner Sinn) durch Frankreich und Resteuropa erst möglich gemacht hatte. Damals stellte sich kaum einer die Frage, ob es auch mit rechten Dingen zugegangen war - und ob die Ausgangssituation auch der Wirklichkeit entsprochen hatte. Man fragte nicht, weil Autoritäten von Barack Obama über Nicolas Sarkozy und Jean-Claude Trichet bis zu Axel Weber und dem Luxemburger EU-Veteranen Jean-Claude Juncker unisono behauptet hatten, eine
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