Rettungskreuzer Ikarus Band 002 - Das weiße Raumschiff
kannte. Er wollte handeln!
Weenderveen war in die Zentrale gestürzt und hatte sich angeschnallt.
»Sie übernehmen die Schutzschirmkontrolle. Im Gürtel gibt es
kleine Asteroiden aus Metallen, die über Eigenstrahlung verfügen und
den Schirm durchbrechen könnten.«
»Bitte?«, machte Weenderveen verständnislos.
Sentenza drehte sich um und fixierte den Techniker.
»Guter Mann, in welcher Welt leben Sie eigentlich? Meinen Sie ernsthaft,
Bergbauunternehmen investieren in Explorationen am Arsch der Galaxis, um irgendwelche
Eisenerze oder Edelmetalle zu fördern? Es geht hier um Elemente, die waffenfähiges
Material darstellen – nicht zuletzt werden hier Vorkommen von Extronit
vermutet.«
Weenderveen schluckte trocken. Extronit war eine der Launen der Natur, die in
Systemen mit starken hyperphysikalischen Phänomenen entstanden. Die Sonne
dieses System war für ihre Gravitationsschwankungen bekannt, die oft eine
Folge irregulärer hyperphysikalischer Vorgänge waren. Obgleich die
Wissenschaft diese noch nicht hatte vollständig erklären können,
war man sich aber über Extronit einig: Ein höchst instabiler, extrem
energiereicher, im fünfdimensionalen Bereich strahlender Stoff, der sich
zur Energiegewinnung und als Waffenmaterial bestens eignete – unter der
Voraussetzung, dass nicht vorher die automatischen Förderanlagen bei ihrer
Arbeit in Energie aufgingen.
»Und da wollen Sie reinfliegen?«
»Sicher. Wir müssen dem Außenteam helfen!«
»Wir könnten doch ein anderes Beiboot ...«
»Nein!«, erklärte Sentenza kategorisch. »Ich will alle Mittel
des Schiffes zur Verfügung haben. Nach den Übertragungen bisher muss
ich ja auf einen Erstkontakt schließen – einen Erstkontakt, der offenbar
gescheitert ist. Keine Diskussionen mehr!«
Die Triebwerke der Ikarus erzitterten, als der Captain auf Kleine Fahrt schaltete.
Der Schutzschirm flammte auf. Das Schiff drang in den Asteroidengürtel
vor.
In einer kleinen Station saß Major-Ingenieur Tacitus Barrach vor dem Bildschirm
und zerdrückte einen Fluch zwischen den Lippen. Das hochsensible Sensorensystem,
das die Firma in diesem Teil des Asteroidengürtels installiert hatte, arbeitete
seit der Ankunft des Rettungskreuzers auf Hochtouren. Seit gut einer Woche war
alles schief gegangen, was nur schief gehen konnte: Erst die Budgetkürzungen
aus der Konzernzentrale, was notwendigerweise zu einer Reduzierung des teuren
Sicherheitsgitters geführt hatte. Dann der fehlgeleitete Extronit-Torpedo,
der auf seinem Flug jenseits des Gürtels irgendwas getroffen hatte, das
daraufhin durch die Asteroiden getrudelt und schließlich abgestürzt
war – und ausgerechnet einer der wenigen freien Prospektoren in dieser
Gegend war auf das, was da getroffen worden war, gestoßen, hatte es gefunden,
war verschwunden und hatte den Rettungskreuzer angelockt. Und Major-Ingenieur
Barrach würde nicht nur für all das vor der Chefetage von »Blaue
Wunder Tech« Verantwortung ablegen müssen, er konnte auch rein gar
nichts tun, wollte er nicht die Existenz und Position seiner Forschungsstation
preisgeben – was er schon alleine deswegen nicht durfte, weil die Mengen
an Extronit, die sein Team in die Experimentaltorpedos einbaute, der allgemeinen
Waffenkonvention widersprachen, der auch »Blaue Wunder Tech« beigetreten
war – nur, um sie kurz danach mit der Einweihung dieses Labors zu brechen.
Kam das heraus, war mehr als sicher, dass die Konventionalstrafe den Gewinn
eines Jahres auffressen würde – und das war etwas, was die Konzernleitung
um jeden Preis verhindern wollte.
Um absolut jeden Preis ...
Barrach machte sich keine Illusionen. Als er das Schiff seine Parkposition am
Rande des Gürtels verlassen sah, wurde ihm klar, dass ein Raumkreuzer diesen
Kalibers, sobald er seine Ortungssysteme innerhalb des Gürtels aktivierte,
Reste des Extronits aus den Experimenten der Station anmessen würde. Dann
würde es ein Leichtes sein, die Station selbst zu orten und wenn man das
»irgendwas« untersuchte, das da abgestürzt war, würde die
Besatzung 1 und 1 zusammenzählen ... und der Kreuzer war ein Schiff des
Raumcorps, das aus wohlverstandenem Eigeninteresse streng auf die Einhaltung
der Waffenkonvention achtete und keine noch so hohe Bestechungssumme vor einer
Anklage am Konventionstribunal abhalten würde. Vor einigen Minuten noch
hatte der Leiter der Station mit seinen
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