Rettungskreuzer Ikarus Band 004 - Die Spielhölle
ihrem ursprünglichen Standort
befand.
Trotz der verrinnenden Zeit wollte Jason nicht aufgeben. Shilla hätte ihn
gewiss nicht im Stich gelassen.
Blieb noch das Loch.
Er nahm das geschmeidige Stahlseil von der Schulter und befestigte es an einem
Träger, der fest genug schien, um Jasons Gewicht zu halten, ohne dass das
restliche Deck gleich hinterher kam. Sorgfältig prüfte er den Knoten,
zerrte mehrmals kräftig – die Stange bewegte sich nicht. Jason band
sich das andere Ende des Seils um die Mitte, dann ließ er sich durch die
Öffnung in die darunter liegende Etage hinab. Der Rand splitterte ein wenig,
als er mit den Schultern anstieß. Das feste Material seines Anzugs hielt
stand.
Einen Moment pendelte Jason in der Luft, bevor er eine geeignete Stelle fand,
doch als seine Stiefelsohlen den schiefen Untergrund berührten, rutschten
einige Platten weg. Er klammerte sich an sein Seil, bis die Bewegung der Trümmer
zum Erliegen kam und sich die Staubwolke lichtete. Wenn er nicht aufpasste,
brachen die Hohlräume ein und rissen ihn mit sich. Ein weiteres Mal versuchte
er, auf sicherem Boden zu landen. Diesmal klappte es.
Jason befreite sich von dem Seil und leuchtete die Umgebung ab.
»Hallo, ist da jemand?«
Er machte einige vorsichtige Schritte.
Plötzlich glaubte er, ein leises Geräusch gehört zu haben.
»Hallo!«, rief er erneut und lauschte.
In der Ferne war das Brummen überlasteter Maschinen zu hören. Die
beschädigte Station knirschte und knackte. Falls irgendwo Menschen um Hilfe
schrieen, so war davon nichts zu vernehmen. Die luftdicht schließenden
Schotte ließen keinen Schall aus den isolierten Kabinen hinaus, die gewährleisteten,
dass sich jeder ungestört und ungehört vergnügen konnte. Etwas
pochte unrhythmisch. Vermutlich schlug jemand in völliger Verzweiflung
mit einem harten Gegenstand auf die Türen und Wände. Wenn er Glück
hatte, wurde er bemerkt und befreit.
Da! Da war es wieder: Ein leises Wimmern.
Jason folgte dem Geräusch. Mehrmals rutschte er auf den schwankenden Unebenheiten
aus, doch die befürchtete Katastrophe, dass ihn eine Stahllawine begraben
würde, blieb aus. Vor einem umgestürzten Wandschrank blieb er stehen.
Überall lagen Kleidungsstücke, darunter sogar ein leichter Raumanzug,
Einrichtungsgegenstände und private Gebrauchsartikel. Zweifellos war dies
das Zimmer eines der preiswerteren Liebesdiener, denn Nicht nur der Luxus, sondern
auch die Sicherheit steigerte sich, je weiter man sich von der Außenhülle
oder lärmenden Maschinen entfernte. Die Laute drangen aus einem Hohlraum,
den das verbogene Möbel über etwas, das wohl ein Bett gewesen war,
gebildet hatte. Im Lichtkegel bemerkte Jason eine schwärzliche Pfütze,
die sicher nicht von dem Überlebenden stammte, sondern von dessen weniger
glücklichem Gefährten.
»Können Sie mich hören?«, fragte Jason halblaut. »Ich
werde sie da herausholen. Ist noch jemand bei Ihnen?«
Das leise Jammern verstummte. Dann antwortete eine weibliche Stimme: »Es
tut so weh ... ich habe Angst ... Hilfe!« Gewiss stand sie unter Schock.
»Ich werde versuchen, den Schrank anzuheben«, erklärte Jason,
während er sich nach einem brauchbaren Gegenstand umblickte, den er als
Hebel ansetzen konnte. »Wenn Sie frei kommen, kriechen Sie heraus.«
»Holt mich raus, holt mich endlich raus.« In ihrer Panik hatte die
Frau zwar gehört, dass jemand mit ihr sprach, jedoch nicht den Sinn der
Worte erfasst.
»Gleich«, bemühte sich Jason, sie zu beruhigen. »Passen
Sie auf, es geht los.«
Er hatte eine Stange gefunden, die er zwischen die Überreste von Schrank
und Bett schob. Das Möbel war schwer, so dass sich Jason anstrengen musste,
bis es ihm endlich gelang, dieses um einige Zentimeter anzuheben. Seine Muskeln
schwollen noch mehr an unter dem grauen Stoff seiner Kombination, als er den
Spalt vergrößerte.
»Schnell, beeilen Sie sich – ich kann den Schrank nicht mehr lange
halten.«
»Ich ... ich kann nicht.«
»Versuchen Sie es! Oder wollen Sie hier lebendig begraben bleiben?«
Der scharfe Ton ließ sie erneut wimmen, aber er löste sie aus ihrer
Starre. Erst sah Jason eine schuppige grüne Hand, die nach einem Halt tastete,
dann schob sich eine schlanke, hoch gewachsene Wenxi hervor.
Mit einem Stöhnen ließ er die Stange los, und der Schrank krachte
herunter. Schwer atmend rieb Jason sich die schmerzenden Schultern
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