Rettungskreuzer Ikarus Band 004 - Die Spielhölle
dürfen, niemals. Wer
war sie überhaupt? Eine Fremde, die Angehörige eines unbekannten Volkes.
Sie mochte gänzlich andere ethische Grundsätze haben, vielleicht eine
Verbrecherin sein oder gar eine Wahnsinnige – und er hatte soeben das Schicksal
von zweitausend bereits sicher evakuierten Personen in ihre Hände gelegt.
Wenn das schief lief, wenn die mysteriösen Wesen gewannen ... Was würden
sie dann mit der Paracelsus anstellen? Wie mächtig waren sie?
Zweifellos verfolgte Shilla einen Plan. Sentenza konnte nur hoffen, dass sie
genau wusste, was sie tat.
Es erschien eine undurchsichtige Kapsel in der Mitte zwischen den drei Spielparteien.
Shilla griff hinein und entnahm einen flachen Chip. Sie zeigte ihn Sentenza,
ohne dass ihn die anderen sehen konnten. Er war rot.
»Unsere Farbe. Die anderen werden auch ein Los ziehen und entweder blau
oder ebenfalls rot erhalten. Jeder hält seine Farbe geheim. Sie kennen
die Regeln?«
Also hatte Shilla nicht geblufft. Sentenza grinste erleichtert. »Einigermaßen.«
In den Kugelbeutel wanderten weitere Perlen für den neuen Mitspieler; Shilla
und Sentenza agierten als eine Person. Jeweils achtzehn blaue und rote, sowie
je sechs gelbe und orange Kugeln zählte der Captain. Genau, so hatte er
es in Erinnerung. Danach zogen erst der Grüne, dann Shilla und zum Schluss
der Graue verdeckt ihre fünfundzwanzig Kugeln.
Der Graue eröffnete das Spiel. Links von einer weißen Kugel, die
sich bereits auf dem Feld befand, deponierte er eine blaue Kugel. Der Grüne
folgte seinem Beispiel, indem er rechts eine gelbe anlegte, an die Shilla eine
rote fügte. Der Reihe nach brachten alle Spieler immer mehr Kugeln ins
Spiel, von denen hin und wieder welche durch andere Farben ersetzt wurden.
Ab und zu gab Sentenza einen Rat, doch Shilla ignorierte seine Worte weitgehend,
so dass er sich aus der Runde ausgeschlossen fühlte. Es war beinahe, als
würde die Telepathin den Fremden, die sie als Einzige akzeptiert hatten,
näher stehen als ihm.
Atemlos verfolgte er das Spiel. Zwei orange Kugeln wurden in eine rote transformiert,
drei blaue verwandelten sich in eine weiße, zwei grüne wurden von
einer blauen ersetzt, blau wurde vorübergehend vom Spielfeld getilgt, und
der Grüne erhielt einen Punkt. Schon bald schwirrte Sentenza der Kopf,
und die düstere Ahnung keimte in ihm, dass er sich auf etwas eingelassen
hatte, das seinen Verstand überstieg.
Für ihn war es von größter Bedeutung, Elysium vollständig
zu evakuieren. Er konnte sich nicht auf die Vermutung der Vizianerin verlassen,
dass den Wesen wahrscheinlich gar nichts passieren würde, wenn die Station
verglühte. Sein Gewissen wäre auf ewig mit diesen beiden Toten belastet
oder der Ungewissheit, ob sie wirklich überlebt hatten. Doch welches Motiv
veranlasste Shilla, an seiner Seite auszuharren? Ohne Zögern hatte sie
rund zweitausend Personen zu einem Gegenstand des Spieles gemacht. Woher sollte
Sentenza wissen, ob ihr all diese Leben nicht völlig gleichgültig
waren? Was hatte sie davon, wenn sie ihm half?
Schnell bauten die beiden Fremden einen Vorsprung auf jeweils vier Punkte aus,
während Shilla mit etwas Glück, wie es schien, lediglich einen erzielte.
Diese Differenz würde die Telepathin niemals aufholen, befürchtete
Sentenza.
Was würde dann geschehen? Was würden die beiden Wesen machen, wenn
sie das Spiel gewannen? Und was passierte mit der Paracelsus und den
Passagieren? Weshalb hatte dieser Einsatz ihr Interesse geweckt? Was konnten
sie nach einem Sieg damit anfangen?
Er fand keine einzige Antwort, und das beunruhigte ihn am meisten.
»Wo ist Shilla?« Ungehalten trat Jason von einem Fuß auf den
anderen.
Sonja DiMersi hatte ihre eisigste Miene aufgesetzt und ihn ignoriert, nachdem
sie am Eingang des Rettungstunnels Position bezogen hatte und den Übergang
der Passagiere überwachte. Sie lagen gut in der Zeit, und wenn es keine
Probleme mehr gab, dann würde die Evakuierung rechtzeitig abgeschlossen
sein. Knapp neunzig Minuten blieben ihnen noch. Rund eintausendsiebenhundert
Personen wurden durch zwei elastische, aber ungemein stabile Schläuche
in das Hospitalschiff geleitet. Die Paracelsus war so lang, dass es keine
Schwierigkeiten bereitet hatte, an zwei Stellen gleichzeitig anzulegen. An der
anderen Schleuse überwachte Weenderveen das Eintreffen der Leute. Auch
Trooid und Thorpa machten sich
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