Rettungskreuzer Ikarus Band 004 - Die Spielhölle
ihr wahres
Alter vertuschten, konnte niemals nachgewiesen werden. In Konsequenz waren dem
Raumcorps die Hände gebunden, und Elysium blieb weiterhin eine berüchtigte
Höhle des Lasters.
Sentenza schnaubte verächtlich. Und diesen Abschaum sollten sie retten:
Süchtige, Drogendealer, Zuhälter, Sklavenhändler, Mörder
..., während an anderer Stelle ehrbare Männer und Frauen, sogar kleine
Kinder um ihr Überleben kämpfen mochten und für die kein Schiff
wie die Ikarus zur Verfügung stand. Es würde noch lange dauern,
bis es eine richtige Rettungsflotte gab. Die Einsätze der Ikarus und des Kreuzers der Pronth-Hegemonie glichen Tropfen auf einen heißen
Stein, denn sie konnten nicht überall zugleich sein.
Aber Auftrag war Auftrag, wies sich Sentenza sofort zurecht. Ihm stand es nicht
zu, über die Leute auf Elysium zu urteilen; das sollten die Gerichte
tun. Auch war gewiss nicht jeder Besucher der Vergnügungsstation automatisch
ein Verbrecher. Und jedes Lebewesen hatte einen Anspruch auf Leben, selbst jene,
die anderen dieses Recht nicht einräumten.
Überdies war es völlig sinnlos, über die Folgen, die ein Rettungseinsatz
haben konnte, zu spekulieren. Begann man darüber nachzudenken, dass man
die einen opfern musste, um den anderen zu helfen, schuf man sich selbst Gewissenskonflikte,
die unweigerlich die Psyche belasteten, wenn nicht auf Dauer schädigten.
Folglich wählte das Raumcorps die Männer und Frauen auch nach ihrer
Belastbarkeit aus. Ein labiles Gemüt hatte nur beim Bodenpersonal Chancen
auf eine Anstellung.
Sentenza war der Kommandant der Ikarus . Die Ikarus flog Rettungseinsätze.
Die Befehle erteilte Sally McLennane. Die Pflege des Gewissens war die Aufgabe
der Vorgesetzten – nicht die seine.
Es war ohnehin schon alles kompliziert genug, angefangen bei Sentenzas Vergangenheit.
Niemals hätte er geglaubt, dass man ihm noch mal ein Kommando anvertrauen
würde nach jener Geschichte. Er war sich bewusst, dass sich McLennane nicht
wegen seiner Qualifikation für ihn entschieden hatte, sondern unschmeichelhaft
aus der Notwendigkeit heraus, die Ikarus bemannen zu müssen. Dasselbe
galt auch für die Hälfte der Crewmitglieder. Die Übrigen hatten
einfach nur Pech gehabt und waren daraufhin billig eingekauft worden.
Doch das war längst nicht alles. Zufällig entdeckte Darius Weenderveen,
dass die Ikarus mit Wanzen nur so gespickt war. Jemand hatte großes
Interesse daran, jeden Schritt der Crew zu überwachen. Auch war der Kreuzer
bei einem Noteinsatz attackiert worden. Wenig später wurde auf die Leiterin
der Rettungsabteilung ein Attentat verübt, dem sie nur knapp entgangen
war. Zweifellos gab es einen Zusammenhang, doch niemand kannte den unbekannten
Gegner und seine Ziele.
Sentenza konnte nur vermuten, dass es um große Dinge innerhalb des Raumcorps
ging, aber McLennane, die vielleicht für Aufklärung hätte sorgen
können, schwieg verbissen über die möglichen Hintergründe.
Es missfiel Sentenza, dass er und seine Leute zu einem Spielball der einzelnen
Fraktionen innerhalb des Corps' geworden waren und sie alle noch nicht einmal
ahnten, was hinter den Kulissen ablief. Sollte einfach nur verhindert werden,
dass McLennane auf Grund der Erfolge ihrer Abteilung an Bonuspunkten sammelte
und in die Chefetage zurückkehrte? Oder stand wesentlich mehr auf dem Spiel?
Wie weit konnte McLennane vertraut werden, fragte sich Sentenza. Waren sie für
die Chefin bloß Marionetten? Wie auch immer, im Moment war es das Beste,
mit McLennane zu arbeiten. Was ihre Position stärkte, nutzte auch der Ikarus ,
und gleichgültig, welche geheimen Intrigen McLennane verfolgen mochte,
sie setzte sich immer für ihre Leute ein. Mit Sicherheit wusste Sentenza
lediglich eins: Der Job an Bord der Ikarus war ungemein gefährlicher,
als er gedacht hatte.
Sentenza verriegelte seine Kabine und hastete zum Hangar, wo ein kleines Shuttle
auf ihn wartete. Die Ikarus kreiste im Orbit um Vortex Outpost in ständiger
Startbereitschaft. Während Sonja DiMersi einige dringende Wartungsarbeiten
und das Eintreffen der Versorgungsshuttle überwachte, hatte die übrige
Besatzung ein paar freie Stunden auf der Station genossen, wo jeder von ihnen
ein kleines Quartier bezogen hatte.
Ihm fiel auf, dass Sonja wesentlich häufiger diesen Dienst übernahm
als einer der anderen. Natürlich, erinnerte er sich, sie hatte sich
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