Rettungskreuzer Ikarus Band 004 - Die Spielhölle
Decks höher
beförderte. Sie hatten gerade die Hangarebene erreicht, als die Vizianerin
die Antwort kannte:
»Eine kleine Yacht –«
Es krachte, und die Station schüttelte sich, als wäre sie von der
titanischen Faust eines übermächtigen Wesens getroffen worden. Shilla
stürzte und riss Jason mit sich zu Boden. Das dumpfe Grollen mehrerer Explosionen
war zu vernehmen. Die Erschütterungen verwandelten den planen Grund in
eine Achterbahn. Aus der Decke brachen Leuchtkörper, Isolierplatten und
Stahlträger. Die Wände verbogen sich, als bestünden sie aus dünnem
Papier. Jason spürte, dass etwas Schweres auf seine Beine fiel.
Wo war Shilla? Sie sprach nicht mehr.
Dann wurde es schwarz.
Beinahe hätte Captain Roderick Sentenza das Summen der Sprechanlage überhört,
die beharrlich mahnte, dass jemand ein Gespräch wünschte. Noch halb
von Seifenschaum bedeckt, drehte er fluchend die Dusche ab, griff nach dem flauschigen
Handtuch und verließ den Hygieneraum, eine nasse Spur quer durch seine
Kabine tropfend. Es musste auch in den Privaträumen Wanzen geben –
oder wieso rief man ihn immer dann, wenn er unter der Dusche stand?
»Sentenza«, bellte er ins Mikrophon.
»DiMersi.« Das aparte Gesicht der Ingenieurin erschien auf dem Monitor.
Verwundert zog sie eine sichelförmige Braue hoch. »Nanu, weshalb bleibt
der Schirm dunkel, Captain? Ist etwas mit Ihrem Gerät nicht in Ordnung?«
»Sie haben mich aus der Dusche geholt«, erwiderte Sentenza, teils
ärgerlich, teils verlegen. »Gibt es dafür einen triftigen Grund?«
Sonja DiMersis Augen blitzten flüchtig auf. Sie verschluckte die bissige
Antwort, die ihr auf der Zunge gelegen hatte, und berichtete mit unterkühlter
Stimme: »Die Ikarus hat soeben einen Notruf aus dem Zughmar-System
von der Raumstation Elysium erhalten. Eine kleine Raumyacht ist abgestürzt,
vermutlich auf den Lazarettsektor. Genaue Daten liegen noch nicht vor. Wir müssen
mit vielen Verletzten rechnen, die nicht einmal eine provisorische Versorgung
erhalten haben. Start in zehn Minuten. DiMersi Ende.«
Noch ehe Sentanza eine Frage stellen konnte, wurde die Verbindung unterbrochen.
Nachdenklich rieb er sich das kantige Kinn. » Elysium im Zughmar-System
... Computer, Eingabe. Alle Daten über das Zughmar-System und die Station Elysium . Kurzfassung.«
Während er sich eilig ankleidete, überflog er den Text auf dem Monitor.
Das Zughmar-System war 137 Lichtjahre von Vortex Outpost entfernt. Zughmar war
ein Riese der O-Klasse, das hieß, er war ein noch sehr junger, heißer
Stern von intensiv blauer Farbe. Zwei glutflüssige Planeten umkreisten
ihn in leicht geneigten, elliptischen Bahnen. Phantasievoll hatte man sie Zughmar
I und II getauft. Keiner von ihnen war bewohnt oder trug in diesem frühen
Stadium auch nur erste Anzeichen von Leben. Vielleicht würden sich in einigen
Milliarden Jahren auf Zughmar II die ersten Einzeller entwickeln.
Elysium umkreiste Zughmar II. Wer die spindelförmige Station hatte
erbauen lassen, war unbekannt. Es gab Vermutungen, dass dahinter einige der
reichsten Männer und Frauen der Galaxis steckten, die genug Credits besaßen,
um jegliche Spur, die zu ihnen geführt hätte, tilgen zu lassen. Diese
Nabobs machten sich niemals die Hände schmutzig. Dafür hatten sie
ihre Handlanger, in diesem Fall ein Gremium skrupelloser Halsabschneider, das
horrende Gewinne mit Glücksspiel, Prostitution und verbotenen Rauschmitteln
erwirtschaftete. Die Position Elysium s war günstig gewählt;
einerseits fern genug zu den Stützpunkten des Raumcorps, aber doch in relativ
zentraler Lage in Bezug auf die wichtigsten Niederlassungen raumfahrender Völker.
Der skandalträchtige Ruf und der günstige Standort der Station lockten
die Vergnügungssüchtigen in Scharen an.
Das Raumcorps hatte mehrmals versucht, die illegalen Schiebereien des Zuhälterrates,
wie das Gremium bezeichnenderweise genannt wurde, aufzudecken, doch hatten die
Inspekteure nie Beweise für deren Machenschaften finden können. Potentielle
Zeugen gaben plötzlich an, sich geirrt zu haben, waren unvermutet mit unbekanntem
Ziel abgereist oder bedauerlicherweise verunglückt. Die attraktiven Liebesdiener
arbeiteten grundsätzlich aus freiem Willen für den Zuhälterrat,
wurden angeblich gut behandelt und medizinisch optimal betreut. Dass einige
von ihnen noch halbe Kinder waren, die mit gefälschten ID-Karten
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