Rettungskreuzer Ikarus Band 008 - Das Janus-Elixier
Zunächst dachte ich mir nichts dabei, aber dann sah ich vom Fenster meines
Appartements aus, dass ungewöhnlich viele Medschweber unterwegs waren.
So viele waren es nicht einmal während der Duralax-Krise. Die Nachrichtensender
brachten nicht ein einziges Wort über die mysteriösen Erkrankungen.
Es gibt keine Warnung. Die Patienten werden diskret in die Kliniken transportiert.
Wer zufällig Zeuge eines medizinischen Einsatzes wird, macht sich keine
Gedanken. Das erklärt auch, weshalb Sie nichts davon gewusst haben. Mich
jedoch machten diese Beobachtungen stutzig, woraufhin ich die Datenbank der
Klinik anzapfte. Meine Nachforschungen ergaben, dass überall in den angrenzenden
Wohneinheiten Infektionen gemeldet wurden – und niemand aus unserem Team
ist verschont geblieben! Natürlich gibt es in der Liste auch eine Reihe
anderer Namen, Personal aus diesem Gebäude, Familienangehörige, Nachbarn.
Weitere Fälle sind mittlerweile schon in anderen Sektionen aufgetreten,
aber erst wenige. Da jeder aus diesem Labor erkrankt ist, war ich bereits in
Sorge, es könnte auch Sie beide erwischt haben.«
»Aber wieso gerade ... alle unsere Leute – und wir nicht?« Anyada
schüttelte bedächtig den Kopf. »Wir haben nicht mit Viren oder
anderen gefährlichen Mikroorganismen experimentiert. Es ist unmöglich,
dass ausgerechnet hier etwas Derartiges passiert sein soll. Bestimmt stammt
der Erreger aus einer anderen Sektion.«
»Das habe ich auch gedacht«, erwiderte Nadir. »Aber Tatsache
ist, die Fakten weisen darauf hin, dass hier das Zentrum der Infektion ist.
Sie verbreitet sich von hier aus in Windeseile in alle Richtungen. Ich kann
es mir ebenso wenig erklären wie Sie. Wir hätten ebenfalls erkranken
müssen, doch wie durch ein Wunder sind wir noch gesund.«
»Seit wann glauben Sie an Wunder?« Krshna lehnte sich an den wuchtigen
Arbeitstisch und kaute an seiner Unterlippe. »Wahrscheinlich ist es nur
eine Frage der Zeit. Es wäre besser gewesen, hätten wir uns nicht
im Labor getroffen. Wenn hier etwas ist, dem wir bislang zufällig entgangen
sind, dann hat es uns spätestens jetzt gefunden. Vermutlich hat uns unser
früher Aufbruch vor der Ansteckung bewahrt.« Er nickte Anyada zu.
»Dr. Shen und ich gingen unmittelbar nach dem Versuch, weil wir uns nicht
ganz wohl fühlten. Sie sind doch auch kurz nach uns aufgebrochen.«
»Ich wollte«, entgegnete Nadir, »doch ein dringendes Gespräch
kam mir dazwischen, und anschließend fühlte ich mich wieder besser.
Ich bin bis zum späten Abend geblieben. Das kann es also nicht sein.«
Die Drei sahen sich schweigend an.
»Ma'am, Ein Funkspruch für Sie! Er ist verschlüsselt.«
Sally McLennane löste ihren Blick von dem kleinen Sichtluk neben ihrem
Sitz und wandte den Kopf in die Richtung des Sprechers. Sie erinnerte sich,
dass der junge Shuttlepilot zu den wenigen Überlebenden der Liebenfels gehörte und der einzige war, der sich nicht dem Verräter LeWine angeschlossen
hatte, welcher vor wenigen Wochen mit seinen Getreuen versucht hatte, ein Trägerschiff
des Corps zu kapern. Der Name des Mannes lautete Templeton Ash. Er war zum Lieutenant
senior grade befördert und auf eigenen Wunsch auf Vortex Outpost eingesetzt
worden.
Sie nickte ihm zu. »Legen Sie es auf meine Leitung.«
Er bestätigte, und im selben Moment leuchtete der kleine Monitor vor ihr
auf. Das zerknitterte Gesicht Milton Losians erschien. McLennane gab ihren persönlichen
Dechiffrier-Code ein.
»Viele Grüße von Tante Petunia«, sagte Losian.
»Weiter«, forderte sie ihn auf.
»Die Nachricht ist bereits acht Tage alt«, berichtete er. »Das
Kurierschiff hatte einen Triebwerksschaden und ist eben erst eingetroffen. Ich
habe Tante Petunias Postfach sogleich –«
»Fassen Sie sich kurz«, bremste McLennane seine ausführliche
Berichterstattung. »Das Shuttle dockt jeden Moment an der Ceridwen an.«
»Der Neffe lässt sie wissen, dass es in der Schule recht turbulent
zugeht. Ein Lehrer hat gekündigt, und dabei handelt es sich ausgerechnet
um seinen Lieblingslehrer. Dessen neue Stelle kennt er nicht. Der Unterricht
wird fortgesetzt, als wäre nichts geschehen. Das große Examen findet
sogar früher statt.«
McLennane schnappte nach Luft. Sollte es einem ihrer Gegner gelingen, den Kanal
abzuhören und die Nachricht zu entschlüsseln, damit würde er
immer noch nichts anfangen können, aber sie kannte
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