Rettungskreuzer Ikarus Band 011 - Die Erleuchteten
Kammer.«
Asiano runzelte die Stirn. In seinen Augen spiegelte sich für einen Moment
nur Leere wider. Schließlich kehrte das scheinbar Gutmütige in seinen
Blick zurück.
»Du stellst mich vor eine schwierige Entscheidung, Superior.«
Saladin schluckte und bereute seinen Vorschlag schon wieder. Ihm wurde plötzlich
die Ungeheuerlichkeit der Anmaßung, Entscheidungen für den Erlöser
zu treffen, bewusst. Er merkte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Mit
einem Mal fühlte er sich unwohl in seiner Haut.
»Während der Gebetsstunde darf der Wartungsschacht nicht betreten
werden«, sagte Asiano. »Allerdings ist diese vor einer halben Stunde
abgelaufen, und uns steht nur noch das Verbot im Wege, das Portal gewaltsam
zu öffnen ...«
Saladin amtete innerlich auf. Er hatte befürchtet, gemaßregelt zu
werden, doch Asiano schien sehr daran gelegen, seine eingeschlossenen Jünger
zu beruhigen und sie auf diese Art zum Licht zu führen. Für eine Schrecksekunde
jedoch grübelte Saladin darüber nach, ob man die Gefangenen nicht
auch durch den Wartungsschacht evakuieren konnte. Erschrocken über seine
eigenen Gedanken zuckte der Superior zusammen und vergewisserte sich rasch,
dass Asiano nichts bemerkt hatte. Der Wartungstunnel führte bis zum Schrein.
Diesen zu öffnen wurde als noch höheres Sakrileg eingestuft, als sich
an dem Portal zu vergehen. Wie konnte er auch nur entfernt daran denken? Er
würde sich einer persönlichen Erneuerung unterziehen müssen.
»Schick ein Wartungsteam in den Schacht zu Tempelraum Vier«, ordnete
Asiano an. »Man soll versuchen auch die Monitore mit Energie zu versorgen.«
»Ihr wollt eine Übertragung senden?«, fragte Saladin verdutzt.
Es war schön und gut, dass sich der Erlöser um seine Schäfchen
sorgte, doch es handelte sich immerhin nur um Suchende .
»Vielleicht«, antwortete Asiano, betrat das Bad und ließ seinen
Superior sprachlos im Wohnraum stehen.
Als erstes nahm Nova das kantige Gesicht Renos wahr. Sein Blick schien besorgt,
doch als ihre Lider flatterten, entspannte er sich. Die junge Suchende richtete
sich halb auf. Reno stützte sie und half ihr auf die Beine. Ein wenig wackelig
lehnte sie sich gegen eine Säule. Im Moment erschütterte sie nicht
einmal die Tatsache, dass es sich dabei um einen Ausläufer des Schreins
handelte. Unsicher tastete ihr Blick umher und gewahrte die anderen Suchenden,
die mittlerweile wieder ihre Gebetspositionen eingenommen hatten.
Nova atmete tief durch und wollte ebenfalls zu ihrem Platz hinüber gehen,
als sich Renos Hand auf ihren Arm legte und sie zurück hielt. Der Mann
deutete mit seinem Kinn auf die Gestalt, die in ihrer Nähe auf dem Boden
lag.
»Wie geht es ihm?«, fragte Nova beunruhigt. Sie sah, dass die Blutung
keineswegs gestoppt worden war. Ein dunkler Fleck hatte sich auf dem Stofffetzen
gebildet, den sie ihm um den Kopf gewickelt hatten.
»Er muss schnellstens in die Medostation«, sagte Reno. »Wir können
ihn aber nicht mitnehmen.«
Nova schleppte sich zum bewusstlosen Akolythen Prospero hinüber und hockte
sich neben ihn. Sie fühlte seinen schwachen Puls. Reno hatte nicht übertrieben.
Wenn sie nichts unternahmen, starb er innerhalb der nächsten ein oder zwei
Stunden. Falls sie bis dahin nicht alle durch Sauerstoffmangel umgekommen waren.
Nova merkte, dass die Luft viel stickiger geworden war, als vor ihrer Ohnmacht.
Die anderen Suchenden atmeten schwer beim stummen Gebet. Ihre Leiber schwitzten.
Nicht mehr lange, bis die ersten von ihnen zusammenbrechen würden.
Da erst wurde Nova sich der Worte Renos bewusst.
»Was meinst du damit, wir können ihn nicht mitnehmen?«, fragte
sie nach.
Reno legte den Kopf schief. »Während du bewusstlos warst, habe ich
einen Weg hinaus gefunden.«
Fliehen!
Dem Schicksal entrinnen. Das widersprach allem, was sie der Erlöser gelehrt
hatte. Wie konnte Reno auch nur einen Gedanken daran verschwenden?
»Was ist?«, fragte er, als er ihren entsetzten Gesichtausdruck gewahrte.
»Ist dir dein Leben gleichgültig? Willst du es wegwerfen, nur weil
dir jemand sagt, du müsstest dich deinem Schicksal stellen?«
Nova fuhr auf. »Das ist Blasphemie!«
Ihre Stimme hallte ungewöhnlich laut von den Wänden wider. Sie sah
sich um, doch die anderen Suchenden waren weiter in ihre Gebete vertieft, hatten
sich aus dem Hier und Jetzt ausgeklammert.
»Und wenn schon«, sagte Reno, kam auf Nova
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