Rettungskreuzer Ikarus Band 012 - Verschollen im Nexoversum
als Bevollmächtigte. Die Aufmerksamkeit, die du erregst, würde die
Soldaten sofort zu uns führen. Das Laken gibt doch einen ganz passablen
Umhang ab.«
Shillas Nase kräuselte sich, als er ihr das große Tuch über
den Kopf und um die Schultern legte. »Konntest du nicht einen Fetzen wählen,
der etwas besser riecht? Hätte ich den Nasenfilter nur nicht weggeschmissen!«
»Das war noch der Harmloseste«, entgegnete er, ohne sich ein Grinsen
ganz verkneifen zu können. »Aber sieh es positiv: Somit sind deine
duftenden Pheromone auch getarnt ...«
Aus einer seiner vielen Taschen zog er eine Steckgranate, von der er die Klemme
abtrennte und als Fibel benutzte, um den provisorischen Umhang unter Shillas
Kinn zu verschließen. Die Kapuze hing ihr tief ins Gesicht.
»Das sollte genügen, wenn niemand zu dicht an dich heran tritt«,
erklärte Jason, während er zufrieden sein Werk begutachtete.
Sie mischten sich unter die Passanten, die zu ihren Arbeitsplätzen eilten
oder von ihrer Schicht nach Hause schlenderten. Niemand nahm Notiz von ihnen.
Es gab keine Arbeitskleidung und keine ersichtlichen Modetrends in dem Völkergemisch,
das mit fortschreitender Stunde immer dichter durch die Straßen hastete.
In Folge verschmolzen sie mit der Menge und ließen sich von dieser treiben.
Jasons Hand ruhte auf Shillas Schulter, während die Vizianerin ihre telepathischen
Fühler ausstreckte.
»Glück gehabt«, flüsterte sie. »Crii-Logan weilt noch
auf Reputus. Ich kann zwar nicht seine Gedanken lesen, aber sein bekanntes Muster
ausmachen. So lange er hier ist, brauche ich mich nur auf ihn zu konzentrieren,
um die Richtung zu bestimmen.«
Jason hatte keine Ahnung, wie weit sie noch vom Raumhafen entfernt waren. In
seiner Phantasie verglich er Shilla mit einem Stück Eisen – aber einem
hübschen, anschmiegsamen Eisenstück – das zielstrebig den unsichtbaren
Feldlinien zu ihrem Magneten folgte. Auf ihre Umgebung achtete sie weniger als
auf den Erhalt des dünnen Kontakts zu Crii-Logan.
Plötzlich bemerkte Jason ein Stocken im gleichmäßigen Strom
der Leute ein kleines Stück vor ihnen. Für einen Augenblick glaubte
er, olivbraune Uniformen zu erkennen. Er griff nach Shillas Arm und zog sie
in eine Seitengasse, riss sie dadurch aus ihrer Konzentration. Fragend blickte
sie ihn an.
»Dort drüben scheint etwas los zu sein. Ich habe Soldaten gesehen.
Suchen sie uns?«
Nach einer kleinen Pause erklärte Shilla: »Ja. Man weiß von
den Köchen, dass wir das Hotel verlassen haben und durchkämmt die
Stadt. Jeder Soldat hat eine genaue Beschreibung von uns erhalten. Verdächtige
Personen werden genau kontrolliert. Zweifellos werden sie deinen Bart erkennen
und unter meine Kapuze schauen wollen. Wir sollten eine Begegnung mit der Truppe
vermeiden.«
»Dann gehen wir hier weiter«, schlug Jason vor.
Sie konnten drei weitere Gruppen vermeiden, doch von der vierten wurden sie
entdeckt.
»Stehen bleiben!«, hörten sie den gebellten Befehl und begannen
zu laufen.
Die Personen auf der Straße wichen ihnen aus und beobachteten teils neugierig,
teils gleichgültig, wie die beiden rannten, sechs Soldaten auf ihren Fersen.
»Sie haben über Funk ihre Kameraden gerufen und hoffen, dass diese
uns den Weg abschneiden«, informierte Shilla.
»Hier hinein.« Jason stieß eine Tür auf, hinter der sich
ein Lebensmittelladen befand. Wild blickte er nach rechts und nach links. »Wo
sind die Torten?«
»Was?«
»Hm… vergiss es. Das sollte ein Witz sein. Wenn wir wieder in der Celestine sind, erinnere mich daran, dass wir uns einen gemütlichen
Abend mit alten Filmen machen…«
Shillas Schweigen machte deutlich, dass sie kein Wort verstanden hatte und allmählich
an seinem Verstand zu zweifeln begann.
Einige Kunden blickten auf, als die Flüchtlinge an ihnen vorbei jagten.
Die Soldaten trennten sich, waren aber zu wenige, um alle Gänge zwischen
den Regalen kontrollieren zu können. Unterstützung seitens der Bevölkerung
erhielten die Verfolger nicht. Die Leute zogen es vor, schweigend zuzuschauen
und für niemanden Partei zu ergreifen. Offenbar genoss die Sicherheit keinerlei
Sympathien, begriff Jason, aber genauso wenig wollte sich jemand mit ihren Repräsentanten
anlegen, indem er Flüchtlingen half.
Etwas schob sich in Jasons Weg, und er konnte nicht mehr ausweichen. Sein eigener
Schwung ließ ihn zurückprallen und stürzen, wobei
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