Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
nötig, und
ich kann hier nicht herumsitzen und tatenlos abwarten.« Sally packte mit
sparsamen Bewegungen ihre Sachen in eine kleine Reisetasche. Sie nahm niemals
viel mit – jahrelange Erfahrung hatte das Gepäck auf das absolut Notwendige
zusammenschmelzen lassen.
»Was hast du vor? Du hast keinerlei Beweise oder irgendein Druckmittel
gegen die Konzernspitze.« Hwang Thang lächelte leicht, aber das konnte
sie nicht sehen, weil er hinter ihr stand.
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte sie unwirsch. »Ich
habe, ganz ehrlich gesagt, noch keine Ahnung, was ich tun werde. Ich kann kaum
einfach da hinein spazieren und Forderungen stellen, aber vielleicht ergibt
sich etwas, wenn ich erst auf St. Salusa bin.«
»Möglicherweise hat sich bereits etwas ergeben.« Der Anwalt kostete
den kurzen Moment der Verblüffung auf Sallys Gesicht aus, als er ihr ein
Datenpad reichte. »Heute früh habe ich eine Nachricht von Ay, dem
kilesischen Reporter des Real , erhalten. Es ist über eine höchst
interessante Sache gestolpert.«
Während McLennane den Text scheinbar flüchtig las, ohne dass ihr dabei
jedoch irgendeine Einzelheit entgangen wäre, schenkte Hwang sich ein Glas
Wasser ein und wartete.
»Stimmen die Infos?«, fragte sie schließlich und ihr Tonfall
war härter, geschäftsmäßiger geworden.
»Soweit ich sie nachprüfen konnte: ja. Self war definitiv nicht auf
St. Salusa, als Anandes Experimente aufflogen. Er lügt. Wir wissen nur
noch nicht genau warum.«
»Woher hatte er dann die Fotos? Das Gericht hat ihre Echtheit geprüft.
Alles, was er sagte, war stimmig.«
Hwang Thang verzog das Gesicht.
»Ich habe keine Ahnung. Vermutlich hat Herr Perusko, Selfs Vorgesetzter
und Vorstandsmitglied, die Unterlagen von Anande aufgehoben und die Fotos verwahrt.
Irgendwie ist Self dann an sie herangekommen.«
»Nachdem Perusko so viele Anstrengungen unternommen haben muss, um das
Labor, die Forschungsergebnisse und Anandes Erinnerung zu vernichten? Er hat
alle öffentlichen Daten, die es überhaupt über Anande gab, gelöscht
– ein wahnsinniges Unterfangen! Und dann bewahrt er die Berichte quasi
in seinem Schreibtisch auf?«
»Ich kann auch nur Vermutungen anstellen. Perusko war kein Engel –
kein Mensch mit einem nennenswerten Gewissen löscht die Persönlichkeit
eines anderen, um den Ruf des Konzerns zu schützen. Ich denke, er wollte
die Unterlagen für später aufbewahren.«
»Um ... sie selber einmal zu nutzen?« Sally ließ sich den Gedanken
auf der Zunge zergehen. Er schmeckte gar nicht verkehrt, also verfolgt sie ihn
weiter. »Um Gras über die ganze Sache wachsen zu lassen und dann,
wenn sich keiner mehr daran erinnert, alles noch mal langsam anzugehen. Das
könnte sein. Mit einer unauffällig steigenden Denirin-Produktion und
abgesicherten Erklärungen dafür. Ein bisschen Geld und Ruhm für
schlechte Zeiten des Konzerns und vielleicht für den eigenen Ruhestand.
Aber nicht, um die Sache vor ein Gericht zu bringen und Gefahr zu laufen, die
eigene Rolle in dem Ganzen zugeben zu müssen.«
»Das klingt nicht unwahrscheinlich, ja?« Thang lächelte. Er schätze
eine gute Theorie ebenso sehr wie einen guten Whiskey. »Und als dann unsere
graue Eminenz im Hintergrund die Sache gegen Anande ins Rollen bringen wollte,
hat Perusko sich gesperrt. Vielleicht hatte er einen Unfall. Vielleicht sollte
es nur so aussehen. Alle Unterlagen gelangten zumindest danach in die Hände
eines willigeren Kandidaten. Ein Freund auf St. Salusa hat mir berichtet, dass
die Forschungsreihe von Ulrich Self abgebrochen werden sollte – auf einer
Party ging wohl die Geschichte herum, er würde mehr reisen, als arbeiten,
und der Konzern wäre mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis nicht zufrieden.«
»Man redet auf St. Salusischen Partys über jemanden wie Self? Der
Planet muss ein Dorf sein ...«, meinte Sally spöttisch.
»Self ist so schillernd in der Szene dort wie Anande zurückhaltend
war. Vor ungefähr drei Wochen, so erzählte mein Freund weiter, hätte
jemand eine größere Spende an das Institut von Self gemacht. Nein,
keine Chance, nachzuvollziehen, wer das war«, kam er Sallys Frage zuvor.
»Nur Gerüchte, Gerüchte, Gerüchte. Die Datenbanken des Konzerns
sind besser gesichert als die Juwelen des Kaisers des Multimperiums. Und notfalls,
wie wir ja jetzt wissen, gehen halt ein paar verfängliche Gigabyte verloren.«
Mit einem
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