Rettungskreuzer Ikarus Band 028 - Welt der Adlaten
die Ohren. Sie war zwar dabei gewesen, als Urian ihnen von ihrem
Auftrag als Adlaten erzählt hatte, doch über dieses seltsame Wesen,
das Lear genannt wurde, hatte er nur wenige Worte verloren. Anscheinend war
die Abneigung gegen den Wächter, der sie nicht als denkende und fühlende
Wesen sondern als Waffen gegen die Outsider betrachtete, so tief verwurzelt,
dass sie es sogar vermieden, mehr über Lear zu sprechen, als unbedingt
notwendig war.
»Und wo steckt dieser Lear jetzt?«, erkundigte sich Pakcheon. »Wenn
er sich als Wächter versteht, warum unternimmt er nichts gegen die Outsider
oder rekrutiert andere Völker für den Kampf? Existiert er nach dieser
langen Zeit überhaupt noch – oder fürchtet ihr euch vielleicht
vor einem Wesen, das längst gestorben ist?«
Möglicherweise, mutmaßte Sonja, sorgten sich die Lediri, dass die
potentiellen Verbündeten zu ihrem einstigen Herrn überlaufen mochten,
falls sich dieser als der mächtigere Mitstreiter entpuppte. Wer oder was
konnte dieser gottgleiche, launische Lear überhaupt sein? Zu welchem Volk
gehörte er?
»Zwar unterhält unser Volk seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehr zu
ihm, aber er lebt. Und er beobachtet uns.«
Sentenza zuckte unmerklich zusammen. Sonja wunderte sich weshalb. Begann Rod,
unter einem Verfolgungskomplex zu leiden?
»Vielleicht befindet er sich an Bord seines Schiffes, vielleicht auf Vortex
Outpost, selbst an Bord der Ikarus oder der Kosang könnte
er sein, ohne dass jemand davon weiß. Wir waren immer vorsichtig, aber
diesmal mussten wir das Risiko eingehen, dass er über eine Hintertür
zu uns findet. Zweifellos kennt er eure Pläne und ist darüber informiert,
dass ihr hier seid. Vielleicht hat er sogar manche Ereignisse arrangiert, die
zu dem Zusammentreffen von Menschen, Vizianern und Lediri führten. Seine
Möglichkeiten übersteigen unsere Vorstellungskraft bei weitem. Allerdings
ist er ein schwieriger Verbündeter, der nur für seinen Auftrag lebt
und sich an seine eigenen Regeln hält, die er jedem anderen aufzwingt.
Er würde euch genauso zu seinen Werkzeugen machen wie uns und euch nur
so viel Hilfe gewähren, wie es für seine Pläne von Nutzen ist.«
Unwillkürlich fühlte sich Sonja an das Sprichwort vom Catzig erinnert,
mit dem man den Sternenteufel austrieb, nur um sich ein anderes Übel einzuhandeln.
Die Outsider waren eindeutig für die Rolle des Sternenteufels prädestiniert
– Lear und die Vizianer mochten sich den Posten des Catzig teilen. Und
als was würden die Lediri erscheinen, falls die Menschen ihnen nicht helfen
konnten?
»Ich würde ihn gern kennen lernen«, warf Sentenza ein. »Der
Gedanke, dass jemand Unbekanntes im Hintergrund die Fäden zieht, gefällt
mir nicht. Ich möchte wissen, mit wem wir es bei Lear zu tun haben und
wie er einzuschätzen ist.«
Es folgte eine kurze Pause. »Wir werden erwägen, für dich den
Kontakt zu Lear herzustellen.«
»Sir«, rief Trooid, »dort kommt das Empfangskomitee. Eine Gruppe
von fünfzig Lediri nähert sich uns.«
Auf dem Panoramaschirm konnten die Männer und Frauen beobachten, wie die
Lediri, von denen einige wahrscheinlich an der Schlacht um Vortex Outpost teilgenommen
hatten und andere aus Neugierde den Besuchern entgegen geflogen waren, ausschwärmten.
Zwei von ihnen, deren rissig wirkende Hülle von hohem Alter zeugte, ließen
ihre Begleiter hinter sich.
»Captain Sentenza«, erklärte Urian, »ich darf dir und deiner
Crew Gundian, den Anführer der Isolationalisten, und Coculian, den neuen
Repräsentanten der Traditionalisten, vorstellen. Beide haben beschlossen,
ihre Vorbehalte bis auf weiteres aufzugeben und zusammen zu arbeiten. Gundian
und Coculian werden euch viele Fragen stellen, bis wir Sumire-A erreicht haben.
Dort können sich eure Wissenschaftler ganz auf ihre Aufgabe konzentrieren
und erhalten jegliche Unterstützung, die sie sich wünschen. Kann das
Problem gelöst werden, werden wir an eurer Seite gegen die Outsider kämpfen.«
5.
Die drei Schiffe befanden sich in einem Orbit um den größten der
Astroiden, der von den Lediri Sumire-A genannt wurde. Die Besucher erfuhren,
dass die Generatoren, die die Dimensionsblase erzeugten, auf mehreren der kleineren
Himmelskörper installiert waren, während dieser Asteroid als Wissenszentrum
diente. Nicht nur bewahrten die Lediri hier alle Aufzeichnungen aus frühester
Zeit und
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