Rettungskreuzer Ikarus Band 028 - Welt der Adlaten
bestehen. Sie brauchen
nur zu fragen.«
»Ich weiß Ihr Angebot sehr zu schätzen, Dr. Nadir, trotzdem
...«
»Lassen wir das und kümmern wir uns um unsere vordringliche Aufgabe.
Einverstanden?«
Anande war dankbar für den Themenwechsel. Dass er beinahe der Verlockung
des Juvenils erlegen wäre, belastete sein Gewissen immer noch. Dass Nadir
sein Verhalten vorhergesehen hatte, dieses dunkle Geheimnis nun kannte und ihm
eine zweite Chance offerierte, machte alles nicht besser. Anande seufzte und
wies auf seine Unterlagen.
»Es gibt keinerlei Anzeichen, dass Dr. Shen an einer Virus-Infektion oder
Lebensmittelvergiftung leidet. Dr. Krshnas Tests sind negativ. Ich muss zugeben,
vor einem Rätsel zu stehen. Die Bewusstlosigkeit ist in einen natürlichen
Schlaf übergegangen, und ich bin überzeugt, dass Dr. Shen nach dem
Erwachen keinerlei Beschwerden haben wird. Was immer dies verursacht
hat, wurde vom Juvenil beseitigt. Falls es Spuren in ihrem Körper von etwas gab, so sind sie ausgemerzt worden, und wir werden wohl nie erfahren, was es
gewesen ist.«
Der Summer an der Tür des Krankenzimmers meldete einen Besucher. Dann glitt
das Schott zur Seite.
»Wie geht es Dr. Shen?«, erkundigte sich Careena Wiland. »Darf
ich zu ihr?«
»Glücklicherweise fehlt Dr. Shen nichts«, antwortete Anande.
»Sie schläft jetzt. Schauen Sie in fünf Stunden vorbei.«
»Im Augenblick können wir hier nichts weiter tun«, sagte Nadir.
»Gehen wir alle wieder an die Arbeit. Die Medeinheiten werden sich um Dr.
Shen kümmern, und sollte sich ihr Zustand verändern, werden wir sofort
benachrichtigt.« Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Dr. Wiland, ich
hatte den Eindruck, dass Ihnen schon während der Besprechung aufgefallen
ist, dass sich Dr. Shen nicht wohl fühlte. Haben Sie vielleicht eine Idee,
woran es gelegen haben könnte?«
Careena dachte einen Moment nach. Dann schüttelte sie langsam den Kopf.
»Nein, tut mir leid. Beim Frühstück war sie noch guter Dinge.
Anschließend gingen wir gemeinsam zum Konferenzraum. Irgendwann bemerkte
ich, dass sie plötzlich blass wurde, doch sie meinte, es sei alles in Ordnung.
Mehr sagte sie nicht, und ich bedrängte sie nicht weiter. Hätte ich
das auch nur geahnt, ich hätte sie sofort auf die Krankenstation gebracht.
Haben Sie herausfinden können, was den Zusammenbruch verursachte?«
»Wahrscheinlich war es nur ein kleiner Schwächeanfall. Wir sind doch
alle mit den Nerven ein wenig am Ende angesichts des komplizierten Problems,
das wir lösen sollen, nicht wahr? Erinnern Sie sich, was Dr. Shen gegessen
hat?«
Erleichtert leuchteten Careenas Augen auf. »Dasselbe wie ich auch, wie
vermutlich die meisten an diesem Morgen: Rührei mit Schinken, Toast mit
Butter und Erdbeer-Konfitüre, Tee. Ist sie vielleicht allergisch auf eine
der Speisen?«
»Davon ist mir nichts bekannt. Es wird sicher nicht schaden, den Speisen
eine Probe zu entnehmen und diese zu analysieren. Trotz aller Hygienemaßnahmen
ist nie ganz auszuschließen, dass sich Keime in der Nahrung ausbreiten
konnten. Danke, Dr. Wiland.«
Careena nickte und verließ das Zimmer.
Nachdenklich rieb sich Nadir das Kinn. Gut. Das Geheimnis war weiterhin sicher.
Niemand hatte Verdacht geschöpft. Solche Zusammenbrüche hatten oft
eine simple Ursache, die eher psychischer als physischer Natur war. Es wurmte
ihn dennoch, dass er keine befriedigende Erklärung hatte finden können.
So praktisch Unsterblichkeit und Selbstheilungskräfte auch waren –
der Intellekt wurde nicht auf ein höheres Niveau gehoben, so dass er sich
weiterhin an Kleinigkeiten die Zähne ausbeißen musste.
Nadir hatte sich am schnellsten mit den Folgen des Juvenil-Experiments abgefunden.
Opfer waren oft notwendig, um einen Durchbruch bei wichtigen Forschungen zu
erzielen. Nicht selten hatten geniale Wissenschaftler ihr eigenes Leben zum
Wohle der Menschheit aufs Spiel gesetzt. Man konnte noch so viele Versuche an
Zellkulturen und niedrigen Lebensformen durchführen, irgendwann musste
man auch Tests an Menschen vornehmen. Es ging nicht anders. Und alles hatte
seinen Preis. Nun, er war bereit, diesen zu zahlen für den Fortschritt.
Dass seine Kollegen diese Einstellung nicht uneingeschränkt teilten, störte
ihn nicht.
»Kommen Sie«, forderte Nadir Anande auf, »unsere Arbeit wartet.
Dr. Krshna wird sich um die Analyse der Lebensmittelproben kümmern. Ich
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