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Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen

Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylke Brandt
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weil seine Eltern ihn zu diesem Statussymbol gedrängt hatten. Er benutzte
ihn nur, wenn er seine Sippe besuchte. Ansonsten stand das Ding die meiste Zeit
ungenutzt in einer Garage herum. Alle zwei Jahre ließ Kentnok ihn umlackieren
und behauptete dann, er hätte sich einen neuen gekauft.
    Mit einem eigenen Gleiter in der Hauptstadt vorankommen zu wollen, war ein wahnsinniges
Unterfangen. Nur wer sehr viel Zeit und Müßiggang hatte – oder
ein voll ausgestattetes Büro in seinem Gleiter – nahm es auf sich,
ein paar Stunden im Verkehr zu stehen. Die Situation hatte sich mit dem Aufkommen
von Luxusgleitern verschlimmert. Die schweren, überbreiten Karossen krochen
im Schneckentempo durch die Stadt und vermieden jede Beschleunigung, die das
Wasser im eingebauten Whirlpool hätte zum Überschwappen bringen oder
Gläser vom Büffet fegen können. Da diese wandernden Kleinwohnungen
meist sehr einflussreichen Leuten gehörten, war es für die Ordnungskräfte
schwer, sie effektiv zu verbieten. Für die meisten Schluttnicks war und
blieb die Stadtbahn die einzige echte Alternative.
    Versunken in die zahlreichen Werbebotschaften, die Kentok von seinem Bildschirm
entgegen blinkten, bemerkte er kaum, dass heute deutlich mehr Leute mit ihm
unterwegs waren als normalerweise. Trotzdem schaffte er es, sofort einen Sitzplatz
zu ergattern, etwas, was ihm das letzte Mal vor Wochen gelungen war. Da war
eine fette Matrone aus der Plastikschale gestürzt und hatte sich nicht
mehr erheben können, bis der Notfalldienst sie in der nächsten Station
wieder aufrichten konnte. Alle Passagiere schienen heute jedoch bemüht,
so dicht wie möglich an den Fenstern zu stehen. Eine sonderbare Stimmung
war in dem Stadtbahnwagen – die Leute unterhielten sich aufgeregt, lauter
als sonst, und starrten immer wieder erwartungsvoll nach draußen. Viele
hatten ihre Kinder dabei, die an Butterlollies lutschten und fragten, wie lange
es denn noch dauern würde. Es war ein bisschen wie auf einem Volksfest.
Kentnok fand es irgendwie empörend, dass alle so gut gelaunt waren, während
er vielleicht gerade zu seiner eigenen Hinrichtung fuhr, und vergrub sich tiefer
in seine Lektüre. Düsternis breitete sich in ihm aus. Was auch immer
den anderen Spaß machte, er hatte daran mal wieder keinen Anteil.
    Schließlich, als die Bahn zu einem unplanmäßigen Halt kam und
sich die Türen zu einem kleinen Bahnsteig öffneten, ging ein leiser
Aufschrei durch die Menge. Schiebend, drängelnd und rufend schoben sich
die Leute geschlossen nach draußen.
    Kentnok hob endlich den Blick von seinem Lesegerät, blinzelte verirrt in
den Wagen und musterte den eiligen Strom an Fahrgästen. Das hier war noch
nicht seine Haltestelle, aber anscheinend ging es nicht weiter.
    »Was ist los?«, fragte er einen jungen Mann, der mit vor Aufregung
dunkelgrünem Gesicht an ihm vorbeidrängte und dabei ungeschickt seine
Kamera aus der Tasche zerrte. »Warum halten wir?«
    »Weil wir da sind! Wir sind da! Oh, große Gabel! Es ist so groß!«,
plapperte der Mann freudig und ließ Kentnok einfach stehen.
    »Da? Aber das ist nicht meine Haltestelle«, antwortete Kentnok etwas
hilflos der leeren Stelle, die soeben von einer resoluten alten Frau eingenommen
wurde.
    »Was? Haben Sie denn nichts mitbekommen?«, herrschte sie ihn grob
an. Ihre Wangen wabbelten, während sie sprach. »Sie sollten mal was
anderes als diese Werbung lesen, junger Mann! Tsss, da kann die Welt einstürzen und die Kinder von heute bekommen nichts davon mit.«
    Kentnok war sich sicher, dass er einem Welteinsturz durchaus bemerkt hätte,
aber er sparte sich eine Antwort und ließ sich schließlich ergeben
von den anderen Passagieren mit nach draußen drängen.
    Und dann sah er, weswegen all die Leute hierher gekommen waren. Und warum es
nicht weiter ging. Die Stadtbahn hätte Flügel bekommen müssen,
um über die riesige Lücke zu fliegen, die in der massiven Schienenkonstruktion
klaffte. Ein großes, halbkreisförmiges und sonderbar vertraut aussehendes
Stück fehlte aus der Hochbrücke und den Magnetbahnen. Einer der mächtigen
Stützpfeiler endete abrupt auf halber Höhe. Hatte es einen Einsturz
gegeben?
    Kentnok trat einen Schritt vor und spähte mutig in die Tiefe, aber unten
auf den Straßen sah er kein Geröll. Das heißt, zumindest nicht
direkt unter der Hochbahn, wo sich anständige Trümmerteile befinden

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