Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen
Dort kämpfte er, Seite an Seite, mit dem Helden.
Es galt einen Verschlinger zu besiegen und eine Stadt zu retten.
Erzprior Decorian lehnte sich in seinem Sessel zurück, soweit die gerade
Lehne es erlaubte, und ließ seine Unterlagen sinken. Die Worte hatten
angefangen, sich vor seinen Augen zu sinnlosen Buchstaben zu verstreuen, so
wenig schaffte er es, seine Aufmerksamkeit auf sie zu richten. Das war erstaunlich,
denn immerhin handelte es sich um sein eigenes Werk: einen umfassenden Plan
zur Reformierung der Galaktischen Kirche. In seiner pedantischen Art hatte Decorian
genau festgelegt, welche Veränderungen stattfinden mussten, um den allzu
liberal gewordenen Apparat zu einer straffen, streng hierarchischen Struktur
zurück zu führen, in der alle Fäden in den Händen des Erzpriors
lagen. In seinen, natürlich. Eine Vielzahl von schrittweisen Maßnahmen,
von kleinen Änderungen in Gesetzestexten und Verwaltungseinrichtungen,
die für sich genommen unscheinbar waren, vielleicht sogar viele seiner
faul gewordenen Brüder und Schwestern erleichtern würden. Aber wenn
alle Puzzleteile gesetzt waren, dann würde sich ein völlig eigenes
Bild ergeben. Eines, in dessen Mittelpunkt Decorian stand, ein paar verlässliche
Leute an seiner Seite ...
Und hier bemerkte der Erzprior den scharfen Stich der Sorge, der ihn von seinem
liebsten Studium abgehalten hatte. Decorian legte seine Dokumente in eine gesicherte
Schatulle und starrte grimmig in die Luft. Der Disput mit Prior Tobias früher
am Tag hallte noch in seinen Gedanken wider. Dabei ärgerte es ihn einerseits,
dass er Tobias falsch eingeschätzt hatte. Der Mann war ihm immer träge
und fügsam erschienen, ein Klumpen weicher Wachs, den er bequem in die
Stellung als Vorsteher des Schülerhauses drücken konnte. Jetzt zeigte
Tobias unerwartet Beschützerinstinkte gegenüber seinen Schutzbefohlenen
und Rückgrat. Erstaunlich – und ärgerlich – was ein bisschen
Verantwortung aus einem Menschen machen konnte.
Aber Prior Tobias war das kleinere Problem. Ein paar beschwichtigende Worte
würden ihn zur Ruhe kommen lassen.
Nein, was Decorians innere Ruhe nachhaltig erschütterte, das war eine Sache
von größerer Tragweite. Ein Dolchstoß in die Seite, um ein
altes Bild zu gebrauchen: nicht unerwartet, aber deswegen nicht weniger schmerzhaft.
Hieß es nicht, eine Gemeinde von Gläubigen wäre eine Herde,
was ihn als Erzprior zu ihrem Schäfer machte? Und keine Herde konnte mehr
als einen Schäfer vertragen, wollte sie nicht verwirrt und aufgerieben
werden ...
»Ehrwürden, Prior Asiano ist wie gewünscht erschienen«,
meldete sich das Vorzimmer Decorians. Der Erzprior verstaute seine Schatulle
außer Sichtweite in einem kleinen Tisch, ehe er über die Sprechanlage
antwortete.
»Lass ihn hereinkommen.«
Keine drei Sekunden später öffnete sich die Tür und Asiano trat
ein, wie stets von einer Art unsichtbarem Halo umgeben, der ihn zu mehr zu machen
schien als einem gewöhnlichen Menschen. Das Lächeln des ehemaligen
Sektenanführers war gewinnend, strahlend, und dabei für Decorians
geübte Augen so kalt wie das eines Hais. Jeder Anschein von Demut, den
Asiano bei Begegnungen mit dem Erzprior außerhalb dieser Räume an
den Tag legte, war verschwunden. Er verbeugte sich nicht und küsste nicht
den Ring seines Vorgesetzten, sondern setzte sich nach einem kurzen Nicken unzeremoniell
in den bequemsten Sessel, der in Decorians Arbeitszimmer zu finden war. Der
Erzprior hob missbilligend eine Augenbraue.
»Ich habe gehört, dass du einen Mangel an Respekt und Höflichkeit
dir gegenüber nicht so leicht nimmst, mein Freund«, begann er das
Gespräch nicht ohne eine gewisse Schärfe in der Stimme, die ungenügend
von professioneller Freundlichkeit überdeckt wurde. Asiano erstarrte für
den Bruchteil einer Sekunde, ohne sein Lächeln zu verlieren.
»Wovon sprichst du, Decorian?«
»Prior Tobias hat mit berichtet, dass deine treuen Wachhunde seine Schüler
bedroht haben, weil sie dich zu grüßen vergaßen.«
»Oh, haben sie das.« Asiano wirkte nicht so, als habe er das gewusst,
aber er war auch keineswegs überrascht. »Sie haben mir das noch nicht
berichtet. Aber es ist gut zu sehen, dass auf sie Verlass ist.« Sein Blick
streifte suchend über die Tische im Arbeitsraum. »Keine Erfrischungen,
Decorian? Wo bleibt deine Gastfreundschaft?«
»Da, wo deine Vorsicht
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