Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen
ausgeliefert, der keine
Gnade kennt, für den wir nichts als Würmer sind und der uns mit Freuden
vernichten wird. Ihr habt tausende von Welten verraten. Joran ist entschuldigt
– er ist wahnsinnig. Aber was waren bloß deine Beweggründe,
den Erzfeinden deiner eigenen Götter zu dienen?«
»Wirst du dich und deine Fedayin zurückhalten, bis es soweit ist?«,
presste der Erzprior mit mühsamer Beherrschung hervor, sein Gesicht war
eine versteinerte Maske. Regungslos hielt er Asianos Blick stand, bis der jüngere
Mann verärgert schnaubte und sich in einer großen Geste umwandte.
»Mäßigung im Angesicht der Apokalypse? Lächerlich. Aber
gut, ich werde es tun. Noch ein wenig länger. Aber warte nicht zu lange,
Decorian. Sonst sind deine Früchte dieser ganzen Mühe verdorben und
verfault, noch ehe du nur einen Bissen gekostet hast.«
Er warf keinen Blick zurück, ehe er aus dem Arbeitszimmer stürmte.
Die Brüder und Schwester im Vorzimmer, die dort auf eine Audienz warteten,
sahen den Anführer der Fedayin mit schlecht verhohlener Wut von seinem
Gespräch mit dem Erzprior zurückkehren. Sie waren bereitwillige Zeugen
und würden bald verbreitet haben, dass ihr Oberhaupt den anmaßenden
Prior wegen der Vergehen seiner Leute scharf zurechtgewiesen hatte. Bruder Tobias
würde zufrieden sein und die Wellen der Empörung konnten sich rasch
legen, ohne dass Decorian auch nur ein Wort selbst würde verlauten lassen
müssen.
Doch trotz dieses glücklichen und gar nicht zufälligen Effektes merkte
Decorian, wie eine große Schwäche ihn überkam. Mit tastendem
Griff fand er die Lehne seines Stuhles und hielt sich an ihr fest, als könnte
die Wärme und Festigkeit des Holzes ihm Sicherheit spenden. Die Worte Asianos
hallten in ihm nach. Er hatte nichts aus dem Mund seines Verbündeten gehört,
was er nicht selber wusste, und doch brannte die Wahrheit wie eine Ohrfeige.
Asiano hatte sich noch einmal seinem Willen untergeordnet, aber nicht ohne Widerstand
und Kampf. Wie würde die nächste Konfrontation dieser Art ausgehen?
Bedauerlich, doch es wurde Zeit für drastischere Maßnahmen. Er musste
Asiano auf seinen Platz zurückzwingen – oder ausschalten. Eine Herde
konnte nicht mehr als einen Hirten haben und ganz gewiss hatte Decorian nicht
vor, seinen Platz zu räumen.
4.
Zu der gleichen Zeit, als Kentnok endlich auf seiner Arbeit ankam und nicht
für seine Verspätung gerügt, sondern im Gegenteil mit Fragen
über den Schauplatz des Schreckens bestürmt wurde, zeigte die Nahastronomieexpertin-Zweiten-Ranges
Ruklei kein Interesse an Monstern und Helden.
Alles, was einen Durchmesser von weniger als einem Kilometer hatte, ließ
sie ohnehin kalt. Da auch der gewichtigste aller Schluttnickmänner es nicht
auf ein solches Maß bringen konnte, war Ruklei noch immer Single, obwohl
es ihr nicht an Angeboten mangelte. Sie war nach den Maßstäben ihres
Volkes höchst attraktiv und brauchte nicht einmal viel dafür zu tun.
Ruklei gehörte zu den gesegneten Frauen, die das Papier einer Pralinenschachtel
nur knistern hören mussten, um schon wieder ein Pfund zuzunehmen. Ihre
perfekten und zahlreichen Rundungen sorgten dafür, dass ihre Kollegen sich
schwer auf die Arbeit konzentrieren konnten, sich beim Einkaufen immer ein freier
Weg vor ihr öffnete, sie stets die besten Rabatte bekam, auch wenn sie
nicht feilschte, und sie mehrfach die Gelegenheit gehabt hätte, Vorsteherin
einer wohlhabenden Großfamilie zu werden und ein Dutzend entzückender
Abbilder ihrer selbst in die Welt zu setzen. Diese Vergünstigungen und
Aussichten zeichneten allerdings selten eine Regung auf ihr hübsches Gesicht.
Es gab nur eines, was Ruklei wirklich glücklich machen konnte, und das
war ihre Arbeit. Ihr enormes Engagement für eine Aufgabe war in der leistungsorientierten
Welt der Schluttnicks nur ein weiterer glanzvoller Pluspunkt auf der ohnehin
überfüllten Skala Rukleis, und somit war es für sie nicht überraschend,
als sie auch an diesem Vormittag Mühe hatte, zu den Unterlagen auf ihrem
Arbeitsplatz durchzudringen.
»Die Schachteln kamen heute früh mit der internen Post«, klärte
ihre Teamkollegin Sinsei sie auf. Sie sagte es ohne Neid. Sinsei war selbst
eine kluge und hübsche Frau, aber eine normale Sonne hatte neben einer
Nova in Sachen Leuchtkraft nicht viel zu melden. Im Gegensatz zu allen anderen
weiblichen
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