Rettungskreuzer Ikarus Band 030 - Held wider Willen
und Muster versucht hatte.
Die Sache war, er war auf Besuch nicht eingestellt. Seine Wohnung war darauf
nicht eingestellt. Weder ihr Ordnungsgrad noch ihr Angebot an Sitzmöbeln
oder Erfrischungen. Trotzdem riss er sich erstaunlich schnell zusammen, ehe
die Frau etwas erwidern konnte, und öffnete rasch die Tür.
»Sicher. Natürlich. Kommen Sie herein. Ihre ... ähm ... Wunden
sehen so aus, als sollten wir sie reinigen. Ich habe einen kleinen Erste-Hilfe-Koffer.«
»Dankeschön.«
Die Fremde trat in die Wohnküche und sah sich um, während Kentnok
zu einem Schrank eilte und dabei benutztes Geschirr vom Tisch griff, um es etwas
mehr außer Sicht zu stellen.
»Wie haben Sie denn diese Verletzungen bekommen?«, rief er über
seine Schulter zurück, während er in dem unaufgeräumten Durcheinander
nach dem Erste-Hilfe-Köfferchen suchte. Nur die Kommunikation nicht abreißen
lassen. Schweigen war das Schlimmste, was ihm jetzt passieren konnte. »Hatten
Sie einen Zusammenstoß mit einem Gleiter?«
»Nein«, antwortete die Fremde und wirkte leicht abwesend. »Vulkanausbruch.«
»Aha.« Kentnok räusperte sich. »Unangenehm, sowas ...«
Er tauchte aus der Tiefe des Schrankes auf, das blassgelbe Köfferchen triumphierend
umklammert. Sein Lächeln wich einem Ausdruck des Entsetzens, denn gerade
in diesem Moment öffnete die Fremde die Tür zu seiner Schlafkammer.
Sie starrte dabei auf ein kleines Gerät, das sie in ihrer Hand hielt.
»He! Was – nicht! Das ist nur ... », begann er und schaffte es
gerade noch › der Raum, in dem meine Pyjamas der letzten drei Monate
auf dem Boden liegen ‹ herunter zu schlucken. Statt Worten war es eher
Zeit für Taten und er stürmte hinter der Frau her, die unbeirrt ihren
Weg in die kryptische Finsternis seiner Schlafkammer fortgesetzt hatte, wie
eine Forscherin, die auch vor den unbekannten Tiefen eines übel beleumundeten
Grabmals nicht zurück schreckte. Als Kentnok sie mit einem impulsiven,
aber vergeblichen Spurt eingeholt hatte, musste er feststellen, dass sie dem
Fußboden der Kammer und seinem zerwühlten Schlafnest keinerlei Beachtung
schenkte. Und gleichzeitig wünschte er sich, sie würde es tun, denn
stattdessen stand sie genau vor der Artefaktkugel in ihrem Ständer. Das
kleine Gerät in der Hand der Fremden blinkte so heftig, als stünde
es kurz vor einem Kollaps. Kentnoks Herz sank ihm bis tief auf den Grund seiner
Schuhe.
»Sie sind eine Investigationssonderbeauftragte der Firma, nicht wahr?«,
vermutete er matt und sackte auf sein Schlafnest. Sein Verhängnis hatte
ihn eingeholt. Dass es das in Form einer attraktiven Frau tat, war nicht wirklich
ein Trost. Er kam sich sehr dumm vor. Wie hatte er auch glauben können,
es gebe irgendeinen anderen Grund, aus dem eine solche Schönheit vor seiner
Tür stand? Die paar Brocken guter Erlebnisse, die der Tag für ihn
bereitgehalten hatte, waren ihm zu Kopf gestiegen. Und deswegen würde er
ihn jetzt verlieren.
»Wie haben Sie das rausgekriegt? Die Überwachungsanlage in Halle 1,
stimmt's? Ich dachte, die wäre seit zwei Wochen kaputt ...« Kentnok
sprang wieder auf, ehe die Frau antworten konnte. »Bitte, ich kann das
erklären!« Er musste das sagen, es war wie ein Reflex auf Tandruks
Beschimpfungen. Dabei wusste er sehr gut, dass er nichts erklären konnte.
»Erklären?« Die Stimme der Fremden war bei dem Wort weich von
Verwirrung, dann blitzte etwas in ihren Augen auf und sogleich wandelte sich
ihr Tonfall. Er war nun so harsch und fordernd, wie er es nur sein konnte. Und
dabei unglaublich attraktiv. Eine Stimme, die alles fordern konnte und alles
bekommen hätte, mit einem Schmelzen und einem Seufzen und keinerlei Widerstand.
Leider war das, was sie wollte, nichts von alledem, was drittklassige Abendvideos
jetzt vorgeschlagen hätten.
»Genau, erklären Sie das! Wie sind Sie in den Besitz dieser ... äh
... Kugel gekommen? Und keine Ausflüchte!«
»Die Maschine in Fabrikhalle 1 hat sie ausgespuckt, also wortwörtlich,
auf den Boden. Sie war so gut wie unter einen Schrank gerollt. Keiner hätte
sie da gefunden. Und niemand hat sie vermisst.«
»Niemand hat sie vermisst?«
Kentnok spürte das unglaubliche Verlangen, sofort von dem Komplott der
drei Wissenschaftler und ihrer unerlaubten Manipulation an der Maschine zu berichten.
Es war die zweite Überlebensregel aller Angestellten. Die erste lautete
»Lass dich
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