Rettungskreuzer Ikarus Band 031 - Das Projekt
eine verblassende Spur über Tesmers Radarschirm. Die
Akkus seiner Lasergeschütze waren leer gefeuert, die Stromversorgung der
Raketenwerfer war ebenso unterbrochen wie die des Schutzschildgenerators, und
von der Ikarus war keine Hilfe zu erwarten, da sie inzwischen ebenfalls
von einem halben Dutzend Raketen gehetzt wurde und damit ausreichend beschäftigt
war.
Es war aussichtslos. In weniger als sechzig Sekunden waren die Raketen hier,
und dann war es aus. Selbst, wenn er jetzt sofort wieder Zugriff auf den Reaktor
hätte, der eigentlich für die Verteidigungsanlagen reserviert war,
würde es mindestens drei Minuten dauern, das System zu booten und sämtliche
Passwörter einzugeben, bis der Deflektorschild wieder hochgefahren war.
In der Zeit würde er schon dreimal atomisiert sein.
Es sei denn ...
Moment mal!
Es gab einen Ausweg. Ihm verblieb eine Waffe, die in kürzester Zeit scharf
gemacht und betätigt werden konnte: der EMP-Projektor!
Färber hatte Wort gehalten und ihm das versprochene Gerät geliefert,
welches einen starken elektromagnetischen Puls ausstrahlen und damit die Instrumente
etwaiger Angreifer unbrauchbar machen konnte. Der Generator stand hier, gleich
nebenan, war nicht viel größer als ein kleiner Aktenschrank und –
was das Beste war – mit einer autonomen Energieversorgung ausgestattet.
Die Brennstoffzelle im Inneren der Einheit lieferte den notwendigen Strom für
das elektromagnetische Feld, welches die Zielautomatik der Raketen ausknipsen
würde wie eine Taschenlampe. Wenn alles gut ging, rasten sie daraufhin
an Mole Mountain vorbei, oder sie detonierten vorzeitig. Vielleicht kam auch
die eine oder andere durch und schlug auf dem Asteroiden ein, aber das war ein
Risiko, welches er einfach eingehen musste.
Hatte er eine Wahl?
Im blieben nur noch Sekunden.
Tesmer sprang auf, lief zu dem EMP-Projektor hinüber und öffnete die
Verkleidung des Gerätes. Ein großer roter Knopf leuchtete ihm einladend
entgegen. Tesmer zögerte keinen Moment. Er biss die Zähne zusammen
und drückte den Knopf, bis sein Daumen schmerzte.
»Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach«, sagte Cono. Das dunkle,
kantige Gesicht des humanoiden Movatoren verzog sich zu einem schüchternen
Lächeln – Sentenza vermutete, dass Cono sich die Mimik bei seinen
menschlichen Kollegen abgeschaut hatte. »Bei einem Überlichtflug versetzen
wir ein Raumschiff in einen Zustand, in dem die gewöhnliche Definition
von Raum und Entfernungen gegenstandslos wird. Nun, der Nimbus X-01 bewirkt
den gleichen Effekt auf die Zeit. Raum und Zeit sind praktisch das gleiche –
beides sind sozusagen Richtungen, in die man sich bewegen kann.«
»Wir alle machen permanent eine Zeitreise, wenn man so will«, pflichtete
Piirk-Kriiq dem Sprecher der Movatoren bei, »nur, dass unser Leben immer
in eine Richtung – in die Zukunft – weiterführt. Stellen Sie
sich die Zeit als einen endlosen Fluss, Frau Direktorin, einen Fluss mit einer
sehr starken Strömung. Der Nimbus X-01 wird es uns erlauben, gegen den
Strom zu schwimmen und in der Zeit zurück zu reisen. Und wenn wir zurück
in die Zukunft wollen, erlaubt uns dieser Antrieb auch das, ganz nach Belieben.
Es ist nämlich so ...«
Aus den Augenwinkeln bemerkte Sentenza, dass Sally McLennane den Ausführungen
der Entwickler interessiert zuhörte. Ob sie von den stark vereinfachten
Erklärungen etwas verstand, daran zweifelte er. Sentenza selbst hatte zuweilen
seine Schwierigkeiten, sich in der Terminologie der Wissenschaftler zurecht
zu finden, zumal Piirk-Kriiq, Batner, Mandau, Cono und Hoorn in ihren Bemühungen,
der Direktorin das Konzept der Zeitreise zu erklären, ständig neue
Analogien und Sinnbilder anführten. Mal war die Zeit ein Fluss, mal eine
höhere Dimension, dann ein quantenmechanisches Phänomen, dann wieder
etwas ganz anderes. Damit verwirrten sie McLennane mehr, als sie ihr halfen.
Sentenza gähnte verhalten. Ihm persönlich war es egal, nach welchem
theoretischen Entwurf die Zeitmaschine konzipiert war, so lange sie überhaupt funktionierte und die Ikarus mitsamt ihrer Besatzung heil hin und zurück
bringen konnte.
Plötzlich stutzte er.
Täuschte er sich, oder hatte eben der Boden unter seinen Füßen
vibriert?
Er sah sich um. Niemand außer ihm schien etwas bemerkt zu haben, doch
da war es wieder, ganz deutlich, ein gleichmäßiges Vibrieren, verbunden
mit
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