Rettungskreuzer Ikarus Band 031 - Das Projekt
vielleicht gab
ihr das Raumcorps sogar ein eigenes Kommando, wenn sie jetzt nur die Nerven
behielt. Sie hatte den Befehl, umgehend an den Asteroiden anzudocken und das
Personal zu evakuieren, noch nicht ganz in Gedanken formuliert, als Trooid fort
fuhr: »Was allerdings passiert, wenn unser Schiff dort anlegt und die Druckschleuse
aufgeht, kann ich leider nicht vorhersagen.«
Sentenza und Mandau fanden Tesmer im Waffenleitstand. Der Söldner machte
einen benommenen Eindruck. An seiner rechten Schläfe zeichnete sich ein
handtellergroßer Bluterguss ab, und die Flecken auf seinem Tarnanzug und
dem Boden zeugten davon, dass er sich übergeben haben musste. Er sah alles
andere als gut aus, und das trübe rote Licht der Notbeleuchtung verstärkte
diesen Eindruck noch. Sentenza war lange genug Kapitän eines Rettungskreuzers,
um bei dem Mann eine Gehirnerschütterung diagnostizieren zu können.
Er kniete neben dem Söldner nieder. »Was ist passiert, Tesmer? Wo
sind die anderen?«
Tesmers Blick irrte im Halbdunkel zwischen Sentenza und Professor Mandau hin
und her. »Die anderen?«, murmelte er verständnislos. »Die
sind doch alle bei Ihnen im Labor.«
»Eben nicht«, widersprach Sentenza. »Was war hier oben los? Wie
haben Sie sich verletzt?«
Tesmer hatte offensichtlich Schwierigkeiten, ihm in die Augen zu sehen. »Verletzt?«
»Da wächst Ihnen gerade ein ziemliches Hörnchen.« Mandau
nahm ein Erste-Hilfe-Kit aus einem Wandschrank und kramte eine Kühlkompresse
hervor. »Hier, legen Sie das da drauf.«
»Noch einmal, Tesmer«, wiederholte Sentenza ungeduldig, »was
ist hier passiert?«
Der Söldner legte das kühlende Verbandspäckchen auf sein blutunterlaufenes
Gesicht und stöhnte leise. »Das tut gut ...«
»Mister Tesmer«, drängte Sentenza. »Ich warte.«
»Wir sind angegriffen worden«, sagte Tesmer schließlich. »Es
handelte sich um eine kleinere Version der haifischförmigen Outsiderschiffe.
Das Schiff hat mit Raketen auf die Ikarus und auf Mole Mountain geschossen.«
In Sentenzas Magen formte sich ein Eisklumpen. Er spürte, wie sein Mund
trocken wurde. »Die Ikarus ... ist sie etwa ...?«
»Die Ikarus hat sich zur Wehr setzen können, glaube ich«,
beruhigte ihn der Söldner. »Aber dann hat der Outsider weitere Raketen
auf uns abgefeuert. Dummerweise hatte Cono meine Laserkanonen von der Energieversorgung
abgeschnitten, um die Reaktoren für die Demonstration seines Prototyps
zu reservieren. Nachdem ich also meine Batterien leergeschossen hatte, konnte
ich nicht nachladen. Aber ich hatte noch ein As im Ärmel: einen EMP-Emitter.«
Sentenza und Mandau wechselten einen Blick. Der Mund des Wissenschaftlers formte
lautlos die Worte Ach du Scheiße .
Der Captain räusperte sich. »Einen EMP-Emitter?«, echote er.
Tesmer lachte grimmig. »Das war die einzige Waffe, die ich in wenigen Sekunden
scharf machen konnte. Alles andere – die Flak oder die Raketenwerfer –
hätte viel zu lange gedauert. Ich hatte mit extra noch einen EMP-Projektor
von Commodore Färber nachträglich liefern lassen. Ganz schön
nützlich, diese Dinger.«
Mandau zupfte Sentenza am Ärmel. »Captain«, wisperte er, »ich
muss mit Ihnen sprechen. Allein.«
6.
»Mister Tesmer?« Jovian Anande fand den Waffenleitstand zu seinem
Erstaunen verlassen vor. Die Bildschirme und Statusanzeigen der Kontrollpulte
waren dunkel, und die Notbeleuchtung verbreitete ihr geisterhaftes grünes
Leuchten. Anande stutzte. Er hatte gehofft, mit dem Söldner über den
plötzlichen Energieausfall sprechen zu können. Vielleicht hatte es
sich ja um eine Waffenfehlfunktion gehandelt. Doch Tesmer war fort, ebenso wie
ein Großteil des Laborpersonals. Dabei hätte ihm Tesmer eigentlich
entgegen gekommen sein müssen, als er seinen Posten verlassen hatte –
es gab nur einen Zugang zu dieser Etage der Anlage, und das war der Weg, den
Anande jetzt vom Labortrakt gekommen war.
Er versuchte es noch einmal: »Mister Tesmer? Hallo?«
Keine Antwort.
Verunsichert stapfte Anande zurück zum Hauptlabor, wo er auf Patricia Hoorn
und Piirk-Kriiq traf. Die beiden Wissenschaftler hatten in der Zwischenzeit
die Kabinen inspiziert.
»Niemand da«, berichtete Doktor Hoorn mit bebender Stimme. »Es
sieht so aus, als wären wir drei ganz alleine hier.«
»Aber das kann doch nicht sein«, widersprach der Kassarier. »Wir
waren doch alle zusammen hier, als der
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