Rettungskreuzer Ikarus Band 046 - Welt der Schlafenden
ihm jedoch schwer, sich zu konzentrieren, als er spürte, wie die Bürste und schlanke Finger sanft durch sein feuchtes Haar glitten, die Knoten entwirrten, seine Schultern und seinen Rücken streiften … Wer hätte das gedacht? Ich spiele offenbar nicht allein.
Laini Singer hatte festgestellt, dass der Unbekannte keine gravierenden Verletzungen – einige über den ganzen Körper verteilte Hämatome und eine winzige Einstichstelle in der linken Armbeuge, vermutlich von einer kürzlich durchgeführten Schutzimpfung – aufwies und den Tod durch die Einnahme einer wenig bekannten Substanz selbst herbeigeführt hatte. Das Gift war unter dem Namen Trptys kaum bekannt und stammte von Parée VII. Der Mann hatte das Mittel als Zahnfüllung bei sich getragen, die Kapsel mit der Zunge gelöst und dann zerbissen. Das Gift wirkte umgehend, sodass auch die anwesende Ärztin nicht schnell genug hatte reagieren können, um die Diagnose zu erstellen und das entsprechende Gegenmittel zu verabreichen, einmal abgesehen davon, dass es dieses nicht an Bord der Phoenix gibt.
»Es handelt sich«, ergänzte Cornelius, »um einen Neutralisator, den man mit oder sofort nach dem Trptys einnehmen muss, sonst hat man nicht die geringste Chance. Für gewöhnlich kommt dieses Gift zum Einsatz, wenn man jemanden augenblicklich töten, seltener, wenn man den Tod vortäuschen will. Trptys und Detrptys zusammen versetzen den Betreffenden für mehrere Stunden in einen scheintoten Zustand. Der Unbekannte hätte sich demnach retten können, aber ich bin mir sicher, er wollte … sollte sterben, denn wer diese Prozedur überlebt, ist in der Regel schwer geschädigt: Vor allem das Gehirn und die Organe leiden unter dem langen Sauerstoffentzug, wenn der Scheintod unerkannt bleibt und das Opfer nicht an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wird. Die Betroffenen sind anschließend … reine Zombies.«
»Sie wissen viel über Gifte.«
»Über die Gifte der Planeten, die ich besucht habe.«
»Hatten Sie Angst, auf Parée Opfer eines Giftattentats zu werden?«
»Natürlich. Darum habe ich mich informiert. Aber die Gerüchte übertreiben. Das Risiko, dort vergiftet zu werden, ist auch nicht größer als auf Vortex Outpost , Schluttnick Prime oder Pollux Magnus.« Cornelius legte die Bürste auf den Tisch.
Pakcheon war ein wenig enttäuscht. »Ist Trptys leicht zu bekommen? Und das Gegenmittel? Kann ein Arzt rechtzeitig erkennen, ob er es mit einem Toten oder Scheintoten zu tun hat?«
»Nein, denn sämtliche Vitalfunktionen sinken für mehrere Stunden auf null. Bloß wenn er einen Tipp bekommt, wird er es auf gut Glück mit der künstlichen Lebenserhaltung versuchen. Allerdings weiß man nie, in welcher Verfassung der Patient zu sich kommt. Meist wäre es für ihn besser, wenn er wirklich gestorben wäre. Beide Gifte werden aus einer seltenen, einheimischen Pflanze gewonnen. Ihre Herstellung und der Handel damit sind auf Parée schon lange verboten, aber es finden sich immer ein paar Leute, die trotz der harten Strafen die Anordnungen missachten. Außerdem gibt es überall Schmuggler, die viel Geld verdienen, indem sie sich auf seltene, kaum bekannte Waren spezialisiert haben.«
»Und Söldner der Schwarzen Flamme.«
Cornelius nickte und wurde blass. »Denken Sie, was ich denke?«
Pakcheon war bereits aufgestanden. Hastig streifte er sich ein ärmelloses Hemd über und nahm eine Jacke aus dem Spind, während er in seine halbhohen Stiefel stieg. »Wenn sich der Fremde das Trptys beschaffen konnte, dann auch das Detrptys .«
»Genau. Und wenn er nicht an Bord seines Wracks Suizid beging, dann deshalb, weil er auf die Phoenix gebracht werden wollte . Lebend. Seine Aufgabe ist also noch nicht erfüllt, und sein eigenes Wohl ist ihm völlig gleichgültig. Ich alarmiere Hellerman. Dann besuchen wir die Krankenstation. Aber machen Sie zuvor Ihre Hose zu.«
Kapitel 19
Als Hellerman im Laufschritt die Krankenstation erreichte, waren Cornelius, Pakcheon und der angeforderte Kampfroboter bereits eingetroffen. Laini Singer saß verstört auf einem Stuhl. Reela Coy hatte die Arme um ihre Kollegin geschlungen und versuchte, sie zu beruhigen. Melton Carlyle untersuchte derweil das offene Kühlfach.
»Der Kerl ist noch am Leben?« Hellermans Frage war mehr eine Feststellung.
»Ja«, schluchzte Laini Singer, der das Entsetzen im Gesicht stand. »Es tut mir leid. Ich muss bei der Untersuchung etwas übersehen haben … Durch meinen Fehler konnte er aus der
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