Rettungskreuzer Ikarus Band 046 - Welt der Schlafenden
nicht all diese Opfer gebracht.
Der Verlust des Verstandes hat Decker zu einer Killermaschine gemacht, die ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit alles tun wird, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Meine Empfehlung ist: Wenn Decker auftaucht, zögern Sie nicht, und erschießen Sie ihn. Falls Sie versuchen, mit ihm zu reden oder ihn lebend gefangen zu nehmen, wird er die Chance eiskalt nutzen und die Skalpelle oder sonstige Waffen einsetzen. Selbst wenn es gelingen sollte, ihn erneut zu arretieren, kann er uns nichts mehr mitteilen. Sie tun ihm sogar einen Gefallen, wenn Sie ihn … erlösen.«
»Wir sind keine Killer«, erinnerte Hellerman, »sondern Ärzte. Wenn es sich vermeiden lässt, werden wir ihn nicht töten.«
Pakcheon zuckte mit den Schultern und schwieg.
»Sie machen es nur noch schlimmer«, warnte Cornelius, bloß für Pakcheon hörbar. »Erst der Gegenschlag der Kosang , nun Ihr Rat, Decker unschädlich zu machen.«
»Er oder wir«, gab Pakcheon zurück, gleichfalls nur an Cornelius gewandt. »Soll ich langatmig darüber philosophieren, dass es ethisch und moralisch verwerflich ist zu töten, man aber manchmal dazu gezwungen ist, um weitere Todesopfer zu vermeiden? Schönreden macht die Sache nicht besser, selbst wenn man nachvollziehbare Motive für ein solches Vorgehen hat.«
»Ich weiß, wie Sie es meinen. Mir müssen Sie nichts erklären, schließlich kenne ich Sie nun schon eine Weile«
»Wirklich? Wer sagt Ihnen, dass sich hinter meiner menschlich scheinenden Fassade nicht ein Monster verbirgt? Das ist es doch, was hier jeder denkt.«
»Nur weil Sie den Leuten immer wieder Anlass dazu geben. Warum? Sie sind mit den diplomatischen Spielregeln bestens vertraut und könnten Ihre Vorschläge auf weniger drastische Weise geben.«
»Glauben Sie wirklich, wir haben Zeit für Diskussionen und Konferenzen? Nein, Cornelius, die läuft uns davon.« Die Stimme des Vizianers wurde noch eindringlicher, fast beschwörend. »Wir haben einen Amokläufer an Bord, der etwas vorhat. Vielleicht ist Tuman sein wahres Ziel. Das wäre doch gar nicht so abwegig, oder haben sie vergessen, welche Anstrengungen die Schwarze Flamme unternehm, um den Datenkristall zurückzuerhalten? Nun schenken wir Decker eine Fahrkarte erster Klasse, um dorthin zu gelangen, zu einer Welt, deren Koordinaten verloren gingen, die offenbar keiner außer uns kennt. Solange der Söldner sich frei im Schiff bewegt, müssen wir mit allem rechnen. Decker darf nicht unterschätzt werden. Er ist ein ausgebildeter Kämpfer. Jeder Gegenstand in seiner Hand wird zur Waffe. Er selber ist eine Waffe. Sie alle verkennen die Situation, indem sie immer noch davon ausgehen, dass er begreift, was er tut, und unter Kontrolle zu bringen ist.«
Cornelius seufzte und verzichtete auf eine Antwort. Er verstand die Beweggründe seines Freundes, wusste aber auch, wie dessen direkte Wortwahl auf andere wirken musste, insbesondere nach der Machtdemonstration der Kosang . Pakcheon war klug genug, um das selbst zu erkennen. Weshalb er dennoch alle Vorsicht außer Acht gelassen hatte, konnte Cornelius nicht nachvollziehen. Wollte er die Phoenix -Crew schockieren und dadurch aufrütteln? Aber vielleicht hatte Pakcheon schon zu viele seiner Karten aufgedeckt, um noch länger überzeugend bluffen zu können. Es wäre für das angeschlagene Vertrauensverhältnis alles andere als heilsam, käme später heraus, das der Vizianer wesentliche Informationen und Hilfsmittel verweigert hätte.
Wie auch immer, es gab wichtigere Probleme, und das, welches als erstes gelöst werden musste, war Decker. Zumindest in diesem Punkt waren sich alle einig.
Kapitel 20
»Ja?« Schlaftrunken richtete sich Cornelius auf und rieb sich die müden Augen.
Der Türsummer hatte ihn geweckt, und das Schott öffnete sich bereits.
Es gab nur eine Person, die autorisiert war, Cornelius’ Räume ohne Anmeldung und auch während seiner Abwesenheit zu betreten.
»Pakcheon? Es ist schon spät … Und Kosang auch …?«
»Haben Sie Hellermans Anordnung vergessen?«
»…?«
»Sie schlafen ja wirklich schon.« Pakcheon beugte sich über das schmale Bett. »Niemand soll allein sein. Sie sind der Einzige, über den keiner wacht. Darum bin ich herübergekommen. Es macht Kosang nichts aus, auf uns aufzupassen, während wir ruhen.«
»Wie …? Das Bett … es ist viel zu schmal.«
Pakcheon grinste. »Ist das eine Einladung?«
»Was?«
»Keine Angst. Kosang fährt die Liege aus. Aber wenn Sie wollen,
Weitere Kostenlose Bücher