Rettungskreuzer Ikarus Band 048 - Kaiser und Gott
Rekrutenlieferungen. Also hatte man wohl noch etwas Zeit, die fantasievollen Kampfraumer-Wohnschiffe von den Erweiterungen zu befreien, die in den letzten Generationen Wohn- und Arbeitsplatz noch näher hatten zusammenwachsen lassen. Natürlich sollten die Kallia stolz auf sie sein. Jeder Werftabschnitt war stolz auf sein Kampfschiff, und die Feinde der Kallia würden sich wundern und vor Furcht vielleicht schon kampflos ergeben, wenn sie sich den Werftschiffen gegenübersahen.
Der Leiter schaltete automatisch zwischen den aktiven Werften hin und her. Ab und zu aktivierte er die nur noch krächzend und kaum verständliche Sprache transportierenden Lautsprecher.
»Vergesst nicht die Gartenanlage am Polbereich!« Oder: »Die Erweiterung der Kommandobrücke nach außen bildet wirklich eine sehr schöne Terrasse. Aber es besteht die Gefahr, dass die Schutzschilde sich hindurchschneiden und die Struktur des Schiffes leidet.«
Am längsten verweilte sein Blick auf dem Schiff in Werft XVII, sein Werk. Eine Kugel im Zentrum, von der aus viele, zum Ende hin spitz zulaufende Arme abzweigten. Besonders hübsch sah das Ganze aus, wenn die Auswüchse von innen beleuchtet waren. Jeder war eine Wohneinheit und natürlich gleichzeitig ein Waffenarm. In die Mitte der Feinde gesteuert und einmal in Rotation versetzt, würde selbst die nicht allzu starke Feuerkraft für große Furcht und noch größeren Schaden unter den Feinden der Kallia sorgen. Eine Technik, die der Leiter selbst entwickelt hatte, aber leider noch nie hatte ausprobieren können.
Während er sein Schiff betrachtete, fiel ihm auf, dass er die Schutzschildmechanismen nie so ganz den Strahlenarmen angepasst hatte. Sollte ihn das sorgen? Ach, die Angreifer wären sicher viel zu überrascht, um überhaupt noch rechtzeitig reagieren zu können.
Und wenn gleichzeitig Werft IX zum Einsatz kam … Das Schiff beruhte auf einer ähnlichen Technik der Rotation und war doch gänzlich anders.
Gabal erinnerte sich noch an den Wettstreit, damals, in seinen jungen Jahren. Der Entwickler der Kette war Erchnud, und mit ihm war er bei einem der monatlichen Treffen ins Gespräch gekommen. Sie hatten sich überlegt, dass die Schiffe im Weltraum doch sowieso ohne Oben oder Unten auskamen. Warum also die internen Stabilisatoren und Gravitatoren nicht nutzen, um nur das Innere zu stabilisieren? Eine bewegliche Außenhülle wäre doch viel effektiver und weniger steuerungsintensiv, was zum Beispiel Angriffswaffen anging. Und so hatte Gabal die Stachelkugel erschaffen, und Erchnud hatte eine Art Kette entwickelt. Sieben Kugeln, verbunden durch Kraftfelder, die laut Computersimulation einmal in Schwung gebracht eine Schneise des Verderbens durch die Reihen der Feinde reißen würde.
Es gab auch andere Berechnungen, nach denen die Glieder durch kleine Unregelmäßigkeiten in der Verarbeitung eventuell sich selbst abschießen könnten, aber das wurde als Computerfehler abgetan. Wie so viele andere vermeintliche Kleinigkeiten, die in der Theorie viel zu gut aussahen, als dass man sie für die Praxis opferte.
Apropos Praxis, dachte Gabal und schluckte schwer.
Er drehte sich auf seinem Hocker in den Raum hinein und betrachtete die großzügige Bettlandschaft.
Nahezu zeitgleich öffnete sich die Tür zur Zentrale und Recogá trat ein.
»Es ist schon wieder so weit, oder? Dabei hätten wir so viel anders zu tun.« Gabal deutete auf die Monitore hinter sich.
»Wir haben einen Generationenvertrag zu erfüllen«, antwortete die Frau pathetisch. Ein Lächeln und Schulterzucken relativierte die Aussage allerdings sofort wieder.
Gabal nickte nur, während er sich selbst entkleidete und eher uninteressiert wahrnahm, wie auch Recogá ihren für eine Neunzigjährige gut gehaltenen Körper frei machte.
Er kannte natürlich den Vertrag, der vor vielen Generationen geschlossen worden war. Damals wurde deutlich, dass es keinen regelmäßigen und womöglich erst recht keinen personellen Nachschub mehr geben würde.
Um ein Mindestmaß an Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung zu haben, hatte man sich entschlossen, der biologischen Nachwuchserzeugung nachzugehen. Die Begeisterung war zwar insgesamt ziemlich zurückhaltend, aber letztlich siegte die objektive Tatsache, dass ohne Nachwuchs die Werft komplett aufgegeben werden musste. Das wollte niemand.
So wurden anfänglich im Losverfahren Paare zusammengeführt und zur Nachwuchserzeugung
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