Rettungskreuzer Ikarus Sonderband 001 - Legale Fracht
jetzt nicht umdrehte, dann würde sie wirklich für immer frei sein.
Keine zwei Minuten später zog der Schwarze Schwan einen letzten Bogen über dem Tower, kurz bevor die Gleiter der Luftüberwachung eintrafen und nichts als ein leeres Dach vorfanden. Dann verschmolz der Schwan mit dem Nachthimmel und verschwand.
Besonderen Dank an Mercedes Lackey und ihr Lied »The Captive«
Thomas Folgmann:
Haut aus Silber
Die Station rotierte langsam und gemächlich im All.
An- und abdockende Schiffe zogen Energieschlieren hinter sich her, hinterließen buntschimmernde Kondensstreifen im Universum, die langsam zerfaserten und schließlich im Hintergrundrauschen der unendlichen Weite aufgingen.
Menschliche Augen hätten das Farbenspiel in seiner ganzen Pracht nicht sehen können. Doch Mona war nicht menschlich.
Nicht jetzt.
Behutsam tastete sie sich an den von der Station abgestrahlten Emissionen weiter nach draußen . Weg von der Station.
Ins Universum.
Ins Nichts.
Denn auch dort musste es Energien geben, gering zwar nur, aber doch genug um auf den Wellen reiten zu können, um sich treiben zu lassen.
Sie wusste nicht, warum ihr jetzt ‚Melodie‘ und ‚Ohboy‘ in den Sinn kamen, die Cyberingenieure, die vor kurzem Vortex Outpost verlassen hatten. Die beiden waren Spieler gewesen. Verliebt in das Innere der Computer, alles was außen war, erschien ihnen nicht interessant genug. Natürlich war es nicht ihre Schuld gewesen, so tief in den Rechner, in die virtuelle Welt des Virus‘, gesogen zu werden. Irgendein Arzt hatte ihnen zusätzlich noch einen üblen Cocktail gespritzt. Wenn sie sich recht erinnerte, waren sogar ‚Zivilisten‘ daran beteiligt gewesen, den Angriff auf das Zentrale Nervensystem von Vortex Outpost zurückzuschlagen. Leute von einem Rettungskreuzer, die in den letzten Wochen und Monaten immer mehr ins Gerede kamen. Sie schienen einige wirklich heiße Kastanien aus höllischen Feuern geholt zu haben. Ach ja, Mindi hatte den Namen erwähnt: Dädalus ... Nein, Ikarus war der Name. Der Captain schien es ihr angetan zu haben. Zu schade, dass er so selten auf Vortex Outpost war. Des einen Pech, des anderen...
Mona versuchte zu erkennen, welche Schiffe sich zurzeit beim Außenposten befanden. Aber dazu würde sie wohl noch mehr Übung benötigen. Im Umfeld der Station herrschte ein schier unbeschreibliches Chaos aus Farben und Formen, und die Entität, die als Humanoide den Namen Mona Nefissa Choukri trug, aber momentan nur eine Energieeinheit unter vielen war, musste aufpassen, dass sie den Kontakt nicht verlor.
Außerdem musste sie sich teilen. Sie hatte immerhin die Verantwortung für ein Schiff.
Natürlich nur für ein angedocktes Schiff, die Elrond , und eigentlich auch nur für den Bordcomputer beziehungsweise dessen korrektes Funktionieren. Aber Mona hatte bereits beim zweiten Durchgang keine Fehler mehr feststellen können, und als Wood, Oberingenieur Wood - so viel Zeit musste sein -, sie trotzdem aufgefordert hatte, sich den Computer ein drittes Mal vorzunehmen, konnte sie der Versuchung – wieder einmal – nicht widerstehen.
Nur ein sinn- und ziellos umherhastendes Icon blieb von ihr in dem Rechner zurück, als sie sich löste und Urlaub nahm. Unangemeldet und ungenehmigt natürlich.
Das nach wie vor sehr störungsanfällige neurale Interface sollte nur in überwachten Verbindungen zwischen Mensch und Computer eingesetzt werden. Schon der Einsatz in einem Raumer war nur in äußersten Notfällen gestattet. Die Energieströme des Universums um ein in Bewegung befindliches Schiff herum waren zu stark und hatten bei Feldversuchen einigen Ingenieuren zwar nicht das Leben, aber den Verstand gekostet. Die Risiken waren zu groß. Aber Mona wusste, was sie tat.
Sie ahnte es zumindest. Etwas in ihr gestattete der Ingenieurin, auch ohne Interface das Innere von Rechnern, ihre Kommunikationsströme, zu erfassen.
Nicht so genau und nur unscharf, aber genug, um sie alle praktische Prüfungen und Tests zur Oberingenieurin mit Bravour bestehen zu lassen. Die Theorie hatte sie sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen. Ihre Eltern hatten gemeinsam an der Weiterentwicklung der neuralen Verbindungen »Humanoide zu Computer« geforscht, und Mona, ihr einziges Kind und ein und alles, war immer und überall dabei gewesen.
Auch vor zehn Jahren.
Es war einer der letzten Versuche in einem Raumschiff bei aktiviertem Hyperantrieb gewesen. Monas Eltern hatten nicht ihren Verstand verloren.
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